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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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viele Menschen aus verschiedenen Arbeitsfeldern und unterschiedlicher Herkunft kennenzulernen. Den Löwenanteil der Gäste aus Politik, Journalismus, Wirtschaft und gemeinnützigen Organisationen hatte Sarge eingeladen. Es waren Menschen, mit denen er im Friedenscorps und in der Regierung Kennedy zusammengearbeitet hatte, in der Politik, in seinen Unternehmungen in Moskau, während seiner Zeit als Botschafter in Paris und so weiter. Ein Mann, den er mir vorstellte, kam aus Chicago: »Unglaublich, Arnold, ein außergewöhnlicher Mensch. Er hat völlig allein den gesamten juristischen Teil der Armenhilfe organisiert, den ich dort eingerichtet habe. Jetzt können auch Menschen, die kein Geld haben, juristischen Rat einholen und sich vertreten lassen.« So ging das den ganzen Tag. »Arnold, komm mal her! Darf ich dir meinen Freund aus Hamburg vorstellen. Ha, ha … du wirst dich bestimmt gern mit ihm unterhalten. Er hat damals ein Geschäft mit den Russen durchgezogen …«
    Als es ans Tanzen ging, tauschte Maria ihre Pumps gegen weiße Turnschuhe ein, um ihren großen Zeh zu schonen, den sie sich in der Woche zuvor gebrochen hatte. Dann, als Peter Duchin und sein Orchester einen Walzer spielten, wickelte sie sich die Schleppe ihres Kleides fünf- oder sechsmal um die Taille, und wir legten eine heiße Sohle aufs Parkett, für die wir viel Applaus einheimsten. Mein Freund Jim Lorimer aus Columbus hatte uns einen Tanzkurs organisiert, und das Üben zahlte sich nun aus.
    Der Kuchen war eine Kopie des legendären Hochzeitskuchens, den Eunice und Sarge einst gehabt hatten: eine achtstöckige Möhrentorte mit weißem Zuckerguss, die knapp eineinhalb Meter hoch war und 280 Kilo wog. Als sie hereingetragen wurde, bot das Anlass für weitere Tischreden.
    Beim Empfang sagte ich etwas, damals eher eine Randbemerkung, das mich noch jahrelang verfolgte. Es ging um Kurt Waldheim, den ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, der sich in Österreich um das Präsidentenamt beworben hatte. Ihn und andere Führungspolitiker hatten wir auch eingeladen, darunter die Präsidenten der USA und von Irland und sogar den Papst. Wir erwarteten nicht, dass sie kamen, freuten uns aber, Antwortbriefe für unser Hochzeitsalbum zu bekommen. Ich hatte Waldheim als Kandidaten der ÖVP unterstützt, zu der ich seit meinen Gewichthebertagen in Graz einen engen Kontakt pflegte. Ein paar Wochen vor unserer Hochzeit hatte der Jüdische Weltkongress Waldheim vorgeworfen, seine Vergangenheit als NS-Offizier in Griechenland und Jugoslawien verheimlicht zu haben. Damals waren Juden in die Todeslager geschickt und Partisanen erschossen worden. Ich konnte das nicht glauben. Wie für die meisten Österreicher war Waldheim für mich einer der Großen und als UN-Generalsekretär nicht nur eine nationale, sondern eine internationale Führungspersönlichkeit. Dass er Geheimnisse aus der NS-Zeit haben sollte, bezweifelte ich. Das wäre doch schon lange ans Licht gekommen, dachte ich. Viele Österreicher hielten die Sache für eine Schmutzkampagne, die im Wahljahr von den rivalisierenden Sozialdemokraten losgetreten worden war – ein dämlicher Schachzug, der Österreich vor aller Welt beschädigte. »Ich unterstütze ihn weiter«, sagte ich mir.
    Waldheim nahm zwar nicht an unserer Hochzeit teil, doch die ÖVP schickte zwei Vertreter zu unserem Empfang, die ein lustiges Geschenk mitbrachten, das für Aufsehen sorgte: Maria und ich in österreichischer Tracht als lebensgroße Pappmachéfiguren. In einer Tischrede dankte ich den vielen Gratulanten für die Briefe und Geschenke und erwähnte auch dieses Präsent. »Ich danke den Vertretern der ÖVP für ihr Kommen und für das Geschenk. Ich weiß, dass es auch den Segen Kurt Waldheims hat, und möchte ihm ebenfalls danken. Es tut mir leid, dass er derzeit diesen Angriffen ausgesetzt ist, aber das liegt eben in der Natur politischer Wahlkämpfe.« Jemand gab diese Worte an die Tageszeitung USA Today weiter, die sie in einem Bericht über die Hochzeit erwähnte. So wurde ich in eine internationale Kontroverse verwickelt, die noch Jahre andauern sollte. Als schließlich bewiesen war, dass Waldheim hinsichtlich seiner Militärkarriere gelogen hatte, wurde er zum Symbol für das Versagen der Österreicher, sich mit ihrer NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ich hatte selber noch Schwierigkeiten, die entsetzlichen Vorgänge der NS-Zeit in ihrer Gänze zu begreifen, und wenn ich die Wahrheit gekannt hätte, dann

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