Total Recall
die Mischung aus amerikanischer und österreichischer Kultur. Wir deckten die Tische mit rot-weiß karierten Tischtüchern ein, und ich trug die traditionelle Tiroler Tracht mit Hut. Auf dem Menü stand eine Kombination aus österreichischer und amerikanischer Küche: Zum Hauptgang gab es Wiener Schnitzel und Hummer, zum Dessert Sachertorte und Erdbeerkuchen.
Es wurden großartige Tischreden gehalten, von unseren Freuden aus Österreich und Deutschland sowie von Seiten der Familie. In den Reden auf Marias Seite ging es darum, was für ein wunderbarer Mensch sie war und was für ein Glück ich hatte, ihr Ehemann zu werden. Auf meiner Seite hieß es, was für ein toller Kerl und guter Mensch ich sei, und was für ein Glück Maria hatte, mich abbekommen zu haben. Gemeinsam würden wir das perfekte Paar abgeben. Die Kennedys wissen, wie man solche Momente feiert. Sie sind alle zur Stelle und sind ausgelassen. Für Außenstehende war das sehr unterhaltsam. Viele meiner Freunde kamen überhaupt zum ersten Mal mit dieser Welt in Kontakt. Sie hatten noch nie so viele Tischreden und so ein lebhaftes Publikum erlebt. Ich ergriff die Gelegenheit, Eunice und Sarge ihre Kopie von Andy Warhols Porträt ihrer Tochter zu überreichen. »Ich nehme euch Maria nicht weg, sondern gebe euch dies hier, damit ihr sie immer bei euch habt«, sagte ich. Und dann versprach ich allen Gästen: »Ich liebe sie und werde mich immer um sie kümmern. Macht euch keine Sorgen.« Sargent trug seinen Teil dazu bei, indem er sich als glücklichsten Menschen der Welt bezeichnete. »Du bist der glücklichste Mann der Welt, weil du Maria heiratest, und ich bin der größte gottverdammte Glückspilz, weil ich mit Eunice zusammen bin. Wir sind beide Glückspilze!«
Die kirchliche Trauung fand in St. Francis Xavier statt, einer hübschen weißen Kirche mit roten Schindeln mitten in Hyannis, mehrere Kilometer vom Anwesen der Kennedys entfernt. Sie fand an einem Samstagvormittag statt. Als wir dort ankamen, warteten buchstäblich Tausende von Gratulanten. Ich kurbelte das Fenster unserer Limousine herunter und winkte der Menge hinter der Absperrung zu. Es waren auch Dutzende von Journalisten, Fotografen und Kameraleuten da.
Es war atemberaubend, Maria über den Mittelgang auf mich zukommen zu sehen. In ihrem wunderschönen Spitzenkleid mit der langen Schleppe, getragen von zehn Brautjungfern, sah sie geradezu königlich aus und strahlte doch gleichzeitig Glück und Wärme aus. Die Hochzeitsgesellschaft lauschte der förmlichen Brautmesse, in der nach etwa einem Drittel das Eheversprechen ausgetauscht wird. Als der Augenblick kam, standen Maria und ich vor dem Priester. Wir wollten schon sagen: »Ich will«, als sich plötzlich polternd die Tür der Kirche öffnete. Alle Gäste drehten sich um und sahen nach, was da los war. Der Priester starrte an uns vorbei, und wir sahen uns über die Schulter um. Dort, im Gegenlicht der geöffneten Tür nur als Silhouetten zu erkennen, standen ein dürrer Mann mit abstehenden Haaren und eine riesenhafte schwarze Frau, die einen grün gefärbten Nerzhut trug: Andy Warhol und Grace Jones. Es war die letzte Szene aus Die Reifeprüfung , nur dass die beiden nicht die Braut entführen wollten.
Sie wirkten wie Revolverhelden, die in einem Western durch die Pendeltüren des Saloons platzen, oder jedenfalls kam es mir so vor. »Blöder Kerl«, dachte ich, »das ist doch wohl nicht zu glauben. Stiehlt mir auf meiner eigenen Hochzeit die Show.« Aber natürlich war es wunderbar. Andy wirbelte gern Staub auf, und für Grace Jones war Zurückhaltung ein Fremdwort. Maria und ich freuten uns, dass sie noch gekommen waren, und als der Priester uns in seiner Predigt riet, mindestens zehnmal am Tag miteinander zu lachen, waren wir bereits auf einem guten Weg.
Es gibt wohl nicht viele Menschen, die ihren Hochzeitsempfang als bereichernd und lehrreich bezeichnen würden, doch für mich war es tatsächlich so. Als mich mein neuer Schwiegervater seinen Gästen vorstellte, wurde mir einmal mehr und voller Ehrfurcht klar, in wie vielen verschiedenen Zirkeln sich Sarge und Eunice bewegten.
»Der da drüben hat eine Friedenscorps-Operation in Simbabwe geleitet, das damals noch Rhodesien hieß.« – »Den magst du bestimmt … er hat bei den Tumulten in Oakland das Kommando übernommen, da haben wir mit VISTA und Head Start helfen können.« Ich war in meinem Element, weil ich mich als Weltbürger verstand und immer darauf aus war, möglichst
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