Total verschossen
Schweißperlen.
»Ich mache eine Probefahrt«, erklärte Vera und zwinkerte Jamie verschwörerisch zu.
»Na, wollt ihr mit?«
Die beiden Frauen sahen sich an. »Klar«, verkündete Betty. »Ist sowieso zu heiß zum Joggen.«
Dem konnte Jamie nur zustimmen. Heiß war gar kein Ausdruck – die Hitze lag wie eine dicke, erstickende Wolldecke über dem Städtchen. Sie stieg aus und klappte den Sitz vor, damit die beiden Damen einsteigen konnten. »Bitte anschnallen«, sagte sie, nachdem sie sich wieder auf den Beifahrersitz gesetzt hatte.
»Bist du auch sicher, dass du mit dem Ding fahren kannst?«, wollte Robyn ängstlich wissen.
»Vera fährt wie ein Profi«, beschwichtigte Jamie.
Und dann brausten sie davon, und die beiden auf dem Rücksitz kicherten wie Teenager. »He, vielleicht könnten wir ein paar Jungs aufreißen«, schlug Betty vergnügt vor.
Robyn Decker rang schockiert nach Luft. »Also wirklich, Betty Hamilton, ich kann nicht glauben, was ich da eben gehört habe. Du weißt ganz genau, dass hier keine Jungs mehr reinpassen – bei meinem Hinterteil!« Alle kicherten.
»Heiliger Strohsack«, rief Vera, »da ist Maxine Chambers‘ neuer Laden.« Sie lenkte den Wagen in eine reifenquietschende Kurve und stand auch schon vor dem betreffenden Geschäft.
Alle vier lehnten sich vor, um die Auslage vom Wagen aus zu betrachten. Jamie war die Erste, die mutig genug war, um auszusteigen.
»Wo willst du hin?«, fragte Vera.
»Das Schaufenster anschauen.«
Lautes Aufkeuchen vom Rücksitz. »Und wenn dich jemand sieht?«, fragte Betty erschrocken.
Jamie zuckte die Achseln. »Ach, jetzt kommt schon, Ladys. Wir werden schon nicht in die Hölle kommen, bloß weil wir uns das Schaufenster anschauen.«
»Und selbst wenn, das wär‘s mir wert«, erklärte Vera entschlossen, stieg aus und klappte den Sitz vor. Ein wenig zögernd hievten sich auch die beiden anderen Frauen aus dem Sportwagen.
Dann eilten alle vier zum Schaufenster und starrten die Auslage an.
»Ach du meine Güte«, hauchte Betty. »Nicht zu fassen, dass eine so anständige, gottesfürchtige Frau wie Maxine einen solchen Laden eröffnet! Seht euch nur diese Sachen an, die sie ins Schaufenster gehängt hat! Was wird aus unserer Jugend? Die Jungen sind heutzutage schon schlimm genug. Testeron und so, ihr wisst schon.«
»Testosteron«, korrigierte Jamie. »Und ich glaube kaum, dass sie so was wie hier noch nie gesehen haben. Ihr wisst doch, wie neugierig Jungs sein können.«
Vera beäugte die ausgestellte Ware mit entsetzter Faszination. »Ich wüsste ja nicht mal, was man mit der Hälfte davon anfängt!«
Jamie war schon dabei, sich im Geiste eine Liste von den Dingen zu machen, die sie kaufen würde. »Vielleicht liefert Maxine die Sachen ja mit Gebrauchsanweisung.« Aber sie war ebenso überrascht wie die anderen, dass ausgerechnet Maxine Chambers einen Dessousladen eröffnet hatte. Sie hatte Maxine immer für eher prüde gehalten.
»Was sind das für Spitzendinger da drüben?«, fragte Vera. »Zwischen den Strapsen und den durchsichtigen BHs.«
Jamie folgte ihrem Blick. »Ach, das sind String-Tangas. Unterhosen.«
»Unterhosen?!« Vera hob die Brauen. »Wie sollen die den Allerwertesten bedecken, bitte schön? Puh, da braucht einem bloß ein Windstoß unter den Rock zu fahren und -«
»Großer Gott, ihr werdet nicht
glauben,
wer da kommt«, meinte Robyn Unheil verkündend.
Betty drehte sich um. »Ach du Schreck, das ist Agnes Aimsley mit ihrem Enkelsohn. Jetzt sind wir geliefert.«
Jamie wandte sich ebenfalls um. Agnes war eine zerbrechliche, weißhaarige alte Dame, die sich trippelnden Schritts näherte. Die weißen Turnschuhe, die sie zu ihrem altbackenen Kleid trug, passten wie die Faust aufs Auge. Der junge Mann, der ihren Arm vorsorglich bei sich untergehakt hatte, war An fang zwanzig, ein Studententyp mit einer Hornbrille, die schon vor Jahrzehnten aus der Mode gekommen war.
Vera machte eine grimmige Miene. »Agnes unterrichtet unsere Sonntagsschulklasse«, erklärte sie Jamie. »Du hast vielleicht gehört, dass sie letztes Jahr einen Herzanfall hatte. Sie ist so fromm, die kriegt bestimmt noch einen, wenn sie dieses Schaufenster sieht.«
»Fromm ist gar kein Ausdruck«, stimmte Betty zu. »Wenn die mal stirbt, wird Jesus beiseite rücken und ihr seinen Platz neben Gott überlassen müssen. Ich wette, das ist ihr Enkelsohn. Habe gehört, er ist einer von diesen religiösen Fanatikern. Soll nicht alle Bretter auf dem Dachboden
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