Tote essen kein Fast Food
bisschen gefährlich, wie auch Frida sie geschildert hatte. Das einzige bisschen Farbe in ihrem Gesicht, auÃer den dunklen Augen, war die Schramme, die sich von der linken Schläfe bis über den Wangenknochen zog. Am meisten aber überraschte mich der langohrige Kuschelhase, der auf ihrem Nachttisch an einer Flasche O-Saft lehnte, neben einer siebenschwänzigen Rattenbrosche, die ich aus der Zeitung kannte.
Mia hatte mein Erstaunen bemerkt. âDas ist Tickâ, sagte sie und grinste schief. âErsatz für Muffin. Die wollten sie hier nicht haben.â Sie wischte sich eine ihrer Rabenflusen aus dem Gesicht. âHöchstens als Laborratte, aber das wollte ich nicht.â Mit einer energischen Bewegung schredderte sie die letzten beiden Karoseiten. âBin gleich fertigâ, sagte sie, während sie akribisch die Papierfetzen herauszupfte, die prinzipiell in der Spiralbindung hängen bleiben.
Mit dem rechten Fuà schob sie die Bettdecke ans FuÃende, vorsichtig, damit das Papierpuzzle nicht auf dem hellgrauen Linoleumboden landete. Ihre kalkweiÃen Beine steckten in der gleichen karierten Boxershorts aus der Herrenabteilung von H&M, die ich auch hatte. Der kalkige Gips unterhalb des Knies fiel optisch kaum auf.
âTutâs sehr weh?â
âKönntet ihr mir vielleicht ein Gefäà besorgen für das Zeugs da?â Mit dem Kinn wies Mia Richtung Papierschnipsel, ohne auf meine Frage einzugehen. âAber keine von den ekligen Kotzschalen aus Recycling-Pappe. Von dieser Haferschleimfarbe muss man ja schon spucken, wenn einem gar nicht schlecht ist.â Sie verzog das Gesicht. âIch brauch was Feuerfestes. SchlieÃlich will ich nicht das ganze Krankenhaus abfackeln.â Ich drehte mich zu Jan und zog eine Augenbraue hoch, was er zum Glück sofort kapierte.
âFeuerfest? Warum nicht gleich atombombensicherâ, hörte ich ihn murmeln, während er sich zum Ausgang wandte. âIch guck mal, was ich findeâ, sagte er laut und verschwand durch die pistaziengrüne Tür, die sich mit einem metallischen Klick automatisch hinter ihm schloss.
âWas hast du vor?â Mia ignorierte auch diese Frage. Hallo? Saà sie auf ihren Ohren oder was? âWie gehtâs dir?â, versuchte ich es ein drittes Mal und reichte ihr die Riesenbox Meeresfrüchte aus Schokolade, die ich in Westerland für sie erstanden hatte.
âOh, danke. Die hatte ich lange nicht.â Mia riss die Folie um die Schachtel ab und zog die dunkelbraune Form heraus, in der die Schoko-Seesterne, -Schnecken und -Muscheln in ihren Plastikhöhlen der Kernschmelze entgegendämmerten. Sie nahm sich eine Schnecke und hielt mir dann die Packung hin. âUnd danke überhaupt.â Ihre Lider mit den langen dunklen Wimpern flatterten ein wenig, als sie mir in die Augen sah. âFür alles. Mir gehtâs viel besserâ, setzte sie hinzu, âund das mit dem Bein hier ist nicht so schlimm.â Sie machte eine Pause. âWenn ihr nicht gekommen wärt ...â
Ich entspannte mich und setzte mich auf den Stuhl neben ihrem Bett. âAber wir sind ja gekommen.â
âWoher wusstet ihr, wo ihr mich suchen müsst?â
âAls wir aus dem Bunker kamen, fiel mir ein, dass wir dich da schon mal gesehen hatten. Nach einem anderen Apothekeneinbruch. Durch die Taue in der Kiste neben deinem Lager bin ich drauf gekommen.â Ich biss einen Arm von meinem Seestern ab. âWozu brauchtest du die eigentlich?â
âUm die Gänge zu erkunden. Ich wusste ja nicht, wie viele Abzweigungen es gibt. Ich hab sie aneinandergeknotet und später dann die Strickleiter gemacht, für den zweiten Eingang.â
âHmm. Aus Fridas Nylonseil.â
âFrida? Ist das die Kleine mit dem Weichei von Hund im Minikleid, die ...â
â... die du in das Loch zurückgeschubst hast, ja. Und Jasper ist kein Weichei!â
âSorry.â Mia guckte zerknirscht. âIst sie deine Schwester?â
âNee.â Ich verzog das Gesicht. âJedenfalls noch nicht, soviel ich weiÃ.â
âAha.â Mia warf mir einen neugierigen Blick zu.
âDu hast mit deinem Onkel Igel gesprochen?â
âJa, er saà an meinem Bett, als ich aufwachte. Und ist die ganze Zeit über bei mir geblieben. Bis gestern ... als meine Mutter kam.â
âDie war bestimmt überglücklich, dich gesund wiederzuhaben.
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