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Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Titel: Tote Maedchen schreiben keine Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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mit der Faust gegen die Wand und ließ sich in den Ledersessel sinken. »Was habt ihr getan?«
    Mom und ich antworteten nicht.
    Später erklärte Dad, wir hätten einer Straftäterin Beihilfe geleistet. »Um uns zu schützen, müssen wir uns in einer Sache einig sein.« Er blickte uns beide fest an. »Wir haben nie einen Brief erhalten und niemand ist hierhergekommen. Nichts. Das alles ist nie geschehen.« Er seufzte. »Zum Glück glaubt Ollie bereits, ich habe Wahnvorstellungen. Ich sage ihm, ich hätte herausgefunden, dass die Mitbewohnerin nichts mit dem Brand zu tun hatte, und er wird nicht nachbohren.« Dad sah Mom und mir in die Augen. »Und wir reden nie mehr von der Sache. Mit niemandem. Nicht einmal untereinander.«
    Mom nickte.
    Dad ging.
    Ich schaffte es nicht länger, die Vernünftige im Haus zu spielen. Mein Kopf ertrug es nicht mehr, dass ich gegen die Wand meiner Eltern anrannte.
    Ich griff zum Telefon und rief den einzigen Menschen an, dem ich zutraute, dieses Chaos in den Griff zu kriegen. Ich kannte sie nur von Besuchen während der Ferien. Aber sie war eine Frau ohne Sinn für Unsinn. In einem unserer sporadischen Telefonate hatte sie gesagt, sie sei nach Florida gezogen in der Hoffnung, meine Mutter würde sich fangen, wenn keine stärkere Person mehr in der Nähe war, an die sie sich klammern konnte.
    »Oma, ich bin's, Sunny. Ich brauche dich.«
    Oma hörte mir zu. »Du wärst besser dran gewesen, wenn dich Wölfe aufgezogen hätten. Ich komme morgen.«
    Sie reiste an und als Erstes riss sie die geschlossenen Fensterläden auf. Von da an ging es aufwärts. Sie hörte sich meine Geschichte nochmals an. Sie las den Brief und Jazz' Tagebuch und stöberte in den Dingen auf meinem Schreibtisch herum. Sie redete mit Mom. Sie rief Dad an und redete mit ihm.
    Sie schickte mich wieder zur Schule. Sie holte mich am letzten Tag ab und fuhr mit mir schnurstracks zu einem Therapeuten.
    Oma und ich sprachen miteinander, der Therapeut und ich sprachen miteinander, Mom und Dad sprachen mit dem Therapeuten. Mit mir sprachen sie nicht viel.
    Und so verging der Sommer. Der Sommer der Therapie. In dem ich darauf beharrte, dass Nicht-Jazz da gewesen war, und Mom und Dad darauf beharrten, dass das nicht stimmte. In dem ich neue Begriffe lernte, wie »Rollenmuster« und »Co-Abhängigkeit«. In dem ich hörte, ich würde meine Persönlichkeit nie voll entwickeln können, wenn ich bei uns zu Hause bliebe. In dem ich, so wie Oma vor Jahren schon, begriff, dass meine Eltern sich entweder selbst zerstörten oder erholen würden - mit oder ohne mich.
    Oma half mir Ende August, meine neue Reisegarnitur aus geschmeidigem, weichem Leder zu packen. Ich war auf dem Weg ins Internat.
    »Ich hasse Florida. All die alten Männer mit ihren dürren, weißen Beinen und schwarzen Nylonsocken. Aber dein Opa liebt Florida. Als er sich karierte Shorts kaufte, dachte ich, ich müsste ...«
    »Oma, hör auf!«
    Sie hielt beim Zusammenlegen inne. »Gütiger Himmel, Kind, schrei mich nicht an!«
    Ich saß im Schaukelstuhl. »Sag mir die Wahrheit: Glaubst du mir oder ihnen?«
    Oma wandte den Blick ab. »Ob ich glaube, dass ein Mädchen hierherkam und behauptete, Jazz zu sein?«
    Ich nickte.
    »Nein, Sunny. Das glaube ich nicht.«
    »Was ist mit Mrs Mallory?«
    »Sie hat eigentlich gar nicht mit Jazz gesprochen, oder?«
    Jetzt war es raus.
    Ich nahm das Tagebuch von meinem Schreibtisch. Der Brief lag darin.
    »Und woher kommt der dann? Das ist der Beweis.«
    Oma setzte sich auf das Bett, strich das Sweatshirt glatt, das sie gerade gefaltet hatte, und legte es neben sich. Dann griff sie nach dem Tagebuch.
    »Sunny, du hast Lilys Unterschrift auf Schulmitteilungen gefälscht, seit du zehn bist. Du hast während des letzten Jahres die Rechnungen bezahlt, indem du anstelle deiner Mutter unterschrieben hast. Ich vermute, du bekommst auch eine passable Fälschung von Dans Unterschrift hin.«
    Erwischt.
    »Sieh mal, dieses Tagebuch. Es geht darin mehr um dich als um Jazz. Wann hat sich Jazz je Gedanken über andere gemacht? Sie hat immer die Hauptrolle in ihrem eigenen Stück gespielt.«
    Mein Gesicht verriet wahrscheinlich meine Verblüffung.
    »Oh doch, ich habe Jazz geliebt, allerdings war sie sehr geschickt darin, andere zu täuschen. Sie war eine Meisterin der Täuschung.« Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie räusperte sich.
    »Aber dieses Tagebuch? Nein, das ist nicht Jazz. Das sind Worte, die du benötigt hast. Du musstest eine Möglichkeit

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