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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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bevorstehende Kernschmelze sorgte dafür, dass ich mich wieder konzentrierte; allerdings nicht darauf, mich zu retten (ich hätte die Schlampe einfach rammen sollen). Stattdessen schien mich mein Gehirn, vielleicht um mir die Angst vor dem Tod zu nehmen, mit chemischer Sorglosigkeit zu überfluten, und meine Aufmerksamkeit richtete sich, gegen meinen Willen, darauf, wie hübsch meine Henkerin doch war. Von Cartier stammte sie nicht. Woher dann? Die Pikadons waren oft als Menschen durchgegangen, ihre dunkeläugige Physiognomie glich der des durchschnittlichen siamesischen Mädchens; ihre Hautfarbe ‒ ein dezentes Olivgrün ‒ fiel unter der betuchten Elite des Big Weird nicht weiter auf. Aber ihre Beine waren gynoid: unverhältnismäßig lang im Vergleich zu ihrem gedrungenen Oberkörper, wie dem feuchten Traum eines Modedesigners nachempfunden. Dior? Ihre Mae stammte vermutlich aus einem Modehaus und nicht von einem Juwelier. Sie erinnerten mich an die giraffenbeinigen Barmädchen im Twizzle’s .
    Ja, Dior. Dior-Fälschungen.
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Primavera über den Rücksitz rutschte; Glas splitterte. Meine Henkerin lächelte noch immer ‒ so schnell würde sie nicht aufgeben. In meinem Kopf lief plötzlich ein Videospiel. Jippi, dideldum! Dideldumdei!
    RUMMS!
    Die Pikadon hatte sich in den Steigbügeln aufgerichtet, das Kreuz durchgedrückt, die Brüste in der offenen Lederjacke vorgereckt; rote Luftschlangen schossen aus ihrem Bauch, als ihr eine volle Ladung aus dem Gewehr in den Rücken krachte. Ihr Gesicht verschwand hinter ihrem Lockenschopf, und ihr Kopf wurde einen Moment lang hin und her geschüttelt, als könne sie es nicht fassen. Der Tod gestattete ihr ein letztes betrübtes Lächeln, bevor das Motorrad zwischen ihren Beinen davonschoss und sie in das Vakuum der Nacht hineingesaugt wurde.
    »Herrgott, das hat sich gut angefühlt«, sagte Primavera.
    »Vergiss sie«, sagte ich. »Die war zu cool, um zu leben.«
    »Zu hübsch, meinst du wohl. Heuchler.«
    »Klar doch. Sind sie noch immer hinter uns?«
    »Ja. Sie holen auf. Und dieses Ding ist leer.«
    »Dann mach, dass du reinkommst!«
    »Da ist noch so ein klobiges Teil ...« Es rauschte laut, als würde ein kleines Flugzeug abheben; Primavera stieß einen Schrei aus und fiel zurück in den Wagen. »Es ist mir weggerutscht ...«
    Ein metallisches Kreischen hallte durch die Nacht ‒ so laut, dass mir die Zähne wehtaten; der Rückspiegel leuchtete orangefarben auf. Der Pick-up brannte lichterloh, überschlug sich, landete in einem Bewässerungsgraben und begrub eine schwarze Gestalt unter sich.
    »Granate?«, sagte Primavera. Die Flammen entfernten sich, und im Rückspiegel war das selbstzufriedene Lächeln meiner kleinen Hexe zu sehen.

13
Tote Mädchen
    Primavera war mir mehrere Schritte voraus; ich trödelte, bis ihre Silhouette von der Finsternis des Tunnels verschluckt wurde und nur noch das diffuse Licht ihrer Taschenlampe, das Stakkato ihrer hohen Absätze und das aus Sex und Tod bestehende Kraftfeld ihres Zaubers von ihrer Existenz kündeten. Dann öffnete ich den Umschlag und leuchtete mit meiner eigenen Taschenlampe hinein.
    Peter starrte mich von einer Schwarzweißfotografie an. »Du glaubst, dass du sie liebst«, sagte er. Er saß auf seinem Thron im großen Saal, wo der Maskenball abgehalten worden war. Die Musik war verstummt, die Gäste waren gegangen. Eine einsame Kerze flackerte in der Finsternis. »Das kann ich verstehen«, fuhr er fort. »Als ich in deinem Alter war ...« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht ‒ ein ausdrucksloses Gesicht, die Augen jedoch noch immer die eines Jungen, der vor vielen Sommern ein junges Mädchen geliebt hatte. »Aber ich war schließlich schon immer in deinem Alter. Wir Nimmerländer altern nicht ...«
    Dabei war er natürlich alt; älter, als er hätte sein dürfen. Seine Langlebigkeit war widernatürlich, und das in einer widernatürlichen Welt. Seine Haut wirkte durchsichtig, als befände sich nichts darunter, irgendwie substanzlos. Titania verlieh ihm, so vermutete ich, Kraft. Während sie ihn ganz langsam tötete. Primavera würde dazu nicht in der Lage sein.
    »Was willst du?«, fragte ich.
    Seine Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen, doch selbst das schien ihn anzustrengen. »Du musst fliehen«, sagte er. Sein Blick huschte ängstlich durch den Ballsaal. »Verschwinde, solange du noch kannst.« Er schlug mit der flachen Hand auf die Armlehne. »Los!«
    »Ich

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