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Tote Männer Milch (German Edition)

Tote Männer Milch (German Edition)

Titel: Tote Männer Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Malina
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zugeschütteten Grab. Sie überlegte, was es noch alles zu tun gäbe. Ein Gebet sprechen – für sich. Den Rest der ausgehobenen Erde sollte sie auf dem angrenzenden Feld verteilen. Das Grab bepflanzen – Stiefmütterchen, Primeln, Salat? Irgendwas.
    Isolde lauschte der Kirchturmglocke. Sie zählte in Gedanken mit. Es war 6 Uhr. Ein schöner Morgen. Sie hörte den Bach plätschern, die Vögel zwitschern und sie spürte die Sonnenstrahlen, die nun langsam durch die Nebelschwaden drangen. Ein friedliches Idyll, das nach Leben roch.
    Entspannt schloss Isolde ihre Augen und sog die frische Morgenluft ein. Das frische Gras duftete. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich selbst hier in der Morgenfrische stehen: Sie, die gewissenhafte Buchhändlerin, die sich stets für andere verantwortlich fühlte. Sie, die Suppen auslöffelte, die ihr andere eingebrockt hatten. Sie sah sich, die erfolgreiche Bogenschützin, die stets ins Schwarze traf, aber im richtigen Leben daneben zielte. Ja, sie sah auch die alternde Schabracke, mit diesem lächerlichen weißen Fetzen am Leib, der nach totem Schweiß und fremder Pisse stank.
    Isolde öffnete die Augen und bewegte abweißend ihre rechte Schulter.
    „Verschwinde!“, zischte sie. „Lass mich in Ruhe, du stinkst nach Tod.“
    Aber nichts geschah.
    Isolde ließ den abgeschnittenen Zopf, den sie wie eine Peitsche in der Hand hielt, in ihre linke Handfläche federn.
    Ihr wurde erst jetzt das Groteske ihrer Situation klar. Ein verbissenes Lächeln kräuselte ihre Mundwinkel.
    Ja, da stand sie nun, dachte sie. Sie, die vierfache Mörderin, mit einem Raben auf der Schulter, der sich nicht verjagen ließ. Isolde spürte einen warmen Schwall auf ihren Rücken. Mephisto war nicht stubenrein.
     
     
     

1. Kapitel
     
    Immer wieder stach sie zu. Erst zaudernd. Von einem natürlichen Ekelgefühl gelenkt. Dann energischer, wie eine Besessene, die gegen die Aussichtslosigkeit ihres Tun angekämpft.
    Es war schwülheiß an jenem Tag. Eine drückende, feuchte Hitze, die jedes überflüssige Wort im Keim erstickte und jede Bewegung in einen Kraftakt verwandelte. Eine Hitze, die still und unheilvoll über dem Land brütete und jeden vernünftigen Menschen ins Haus oder in ein schattiges Plätzchen kriechen ließ. Isolde besaß diese Möglichkeit. Sie hätte ins Haus gehen oder sich mit einem kühlen Getränk unter ihren Sonnenschirm setzen können – ein schattenspendendes Ungetüm, das sie im Preisausschreiben des „Landshuter Volksblatts“ gewonnen hatte. Aber Isolde hatte mit Wichtigerem als dem Wetter zu tun. Sie schenkte auch der knisternden Spannung keinerlei Beachtung, die sich mehr und mehr unter dem bleiernen Dunstschleier auflud. Gebückt, mit einem kleinen Plastikeimer am Handgelenk, schleppte sie sich über die Terracottafliesen, leise vor sich hinfluchend, durch Pflanzen und Sträucher und stach mit einer Gabel auf die Nacktschnecken ein, die auf dem besten Weg waren, alles in ihrem Garten zu vertilgen, was noch grün und saftig war.
    Freilich hätte es genügt, die illegalen Einwanderer mit der Gabel nur aufzupieksen und sie dann am Rand des Eimers abzustreifen, statt den Tieren alle vier Zinken in den Rücken zu rammen. Aber Isolde war verzweifelt und wütend. Zudem wollte sie mit ihrer Methode das Risiko ausschalten, dass ihr die kleinen Schleimer wieder aus dem Spielzeugeimerchen krochen. Davon abgesehen neigte Isolde nicht zu halben Sachen. Entweder tat sie etwas ganz oder gar nicht. Das galt nicht nur für die Schnecken. Also stach sie zu. Unermüdlich und konsequent. Bis ein kehliges Krächzen sie ablenkte und ihre Aufmerksamkeit erregte. Isolde begradigte ihren Rücken, schirmte mit der Hand die Augen und verfolgte erwartungsfroh einen Kolkraben, der sich auf den Ast des Baumes niederließ. Eine alte Buche, mit einem mächtig verdrehten Stamm. Einige Äste waren kahl und sahen aus wie die Klauenfinger eines boshaften Dämons. Dieses knorrige Gebilde war der einzige Baum in Isoldes Garten. Er diente nicht nur als Zufluchtsort für die Rabenvögel, sondern er barg auch ein Geheimnis. Versteckt zwischen dem Geäst, fand sich ein Vogelhäuschen, das in Wahrheit ein Briefkasten war. Eine okkulte Zufluchtstätte, die Isoldes geheime Gedanken und Wünsche beherbergte. Sie brachte derlei in einsamen Stunden zu Papier. Genau genommen waren es Bettelbriefe, die sie schrieb. An eine imaginäre Macht gerichtet. Eine Macht, um deren Gunst sie unerbittlich buhlte. Bettelte, wie es nur

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