Totenblick: Thriller (German Edition)
Wanken.
»Habe ich«, flüsterte er entgeistert.
»Dann machen wir uns auf die Suche, ob wir …«
»Dolores«, raunte Ares entsetzt. »Das ist meine älteste Tochter!« Ihm fiel ein, dass Hochstätter angedeutet hatte, es persönlicher zu gestalten.
Wie konnte er auf sie kommen? Kaum jemand wusste, wer sie war.
Er lief los, rempelte einen SpuSi aus dem Weg.
Ohne zu fragen, eilte der Kommissar hinterher und zog sein Smartphone.
***
Leipzig, Zentrum, 1. Januar
Es regnete einmal mehr in Strömen. Dolores wusste nicht, was sie in der Zwischenzeit machen sollte. Also schaute sie den Regentropfen zu, die über die Frontscheibe rannen.
Ihr Transporter stand am Straßenrand geparkt, in der Nähe des schon lange geschlossenen Bowlingcenters. Sämtliche Warnanzeigen leuchteten und sagten ihr im Chor: Bleib stehen!
Das hatte Dolores getan. Zuerst unfreiwillig mitten auf der Kreuzung, am Wilhelm-Leuschner-Platz, danach schoben sie nette, todesmutige Helfer zumindest raus aus dem Gefahrenbereich.
Jetzt wartete sie auf den Abschleppdienst.
Ihren Vater hatte sie nicht anrufen wollen, er jagte einen Verrückten, und das war allemal wichtiger als ein verreckter Motor. Wozu hatte er ihr die Mitgliedschaft im Automobilclub geschenkt?
Dolores sah die Autos um sich herumfahren, der Regen trommelte aufs Dach.
Sie würde sich ärgern, falls der Schaden aufgrund ihrer eigenen Nachlässigkeit entstanden war. Sie war perfekt darin, alltägliche Dinge zu vergessen. Motoröl nachfüllen. Ganz große Nummer. Besser würde ihr ein Metallspänchen gefallen, das sich im Motor abgelöst und etwas verstopft hatte, oder ein Schaden, der in die verlängerte Garantiezeit fiel.
Ein dünner Wasserfilm bildete sich auf dem Asphalt, die Gullys kamen nicht mehr nach, das Wasser aufzunehmen.
Ein Motorradfahrer knatterte über die Kreuzung, langsam und behutsam. Wahrscheinlich fürchtete er, dass die Reifen die Bodenhaftung verlieren könnten.
Dolores fand ihn mutig, bei solch einem Wetter überhaupt auf dem Boliden unterwegs zu sein. Dem Sound nach war es eine kraftvolle Maschine, und er fuhr dazu noch ohne Licht. Durch die nassen Scheiben sah sie die Umgebung nur verwischt, wie ein unscharfes Bild, das sich ständig änderte, den Fokus an einer kleinen Stelle fand und gleich wieder verlor.
Ihr Smartphone klingelte. »Ja, Papa?«, meldete sie sich.
»Wo steckst du?«, fragte er angespannt.
»Was ist los?«
»Ist alles in Ordnung bei dir?«
»Ja.« Sie sah auf die Tropfen. »Nein. Der Wagen ist verreckt. Ich sitze und warte auf den Abschleppdienst.«
»Gut. Sehr gut.«
»Du findest es gut?«
»Ist in deiner Nähe ein Restaurant?«
Dolores fand das Verhalten ihres Vaters vollends merkwürdig. »Was ist los?«
»Wir denken, dass es der Mörder auf dich abgesehen hat«, würgte er heraus. »Lackmann und ich und ein SEK sind auf dem Weg zu dir. Bleib nicht im Wagen, hörst du? Geh in ein Café!«
»Aber bin ich im Wagen nicht sicherer?«
»Keinesfalls! Er könnte die Scheibe einschlagen und dich rauszerren. Du musst unbedingt unter Leute. Da wird er sich nicht trauen zuzuschlagen.«
»Mach ich.« Ihr Herzschlag schnellte in die Höhe. »Warum ich?«
»Erkläre ich dir später. Und leg nicht auf. Rede mit mir, damit ich weiß, was los ist.«
Dolores öffnete die Tür, und ein Sturzbach ergoss sich über sie. »Nee, Papa. Ich muss das Handy einstecken, sonst wird es nass.« Sie konnte in ihrer direkten Umgebung zunächst nichts erkennen bis auf die Haltestelle. Ein paar Meter weiter, auf der anderen Straßenseite, gab es gut besuchte Bistros und die Moritzbastei . »Komm in die Moba . Ich melde mich gleich wieder, sobald ich im Trockenen bin.«
»Ist gut.«
Sie beendete das Gespräch, verstaute das Smartphone und verließ den Transporter.
Der Verkehrsstrom an der vielbefahrenen Straße jagte an ihr vorbei, Gischtwolken hüllten sie ein und weichten ihre dünne Kleidung zusätzlich zu den Tropfen auf, die von oben auf sie fielen. Es würde ewig dauern, bis ihre langen Haare getrocknet waren.
Dolores musste eine halbe Minute warten, bis sie zumindest eine Seite überqueren konnte. Sie rettete sich auf eine Verkehrsinsel und lief los.
Ein lautes Röhren erklang, ein Schatten huschte an ihr vorbei, dann bekam die junge Frau einen Schlag gegen die Hüfte.
Doch anstatt zu fallen, hing sie im Arm eines Motorradfahrers, der versuchte, das Schlingern der mattschwarzen Maschine abzufangen. Gleich einem Raubvogel hatte er sie
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