Totenblüte
am Straßenrand lenkte, um den Traktor vorbeizulassen. «Wir finden heraus, was sie an dem Abend gemacht hat, als Luke Armstrongermordet wurde. Wir reden mit all ihren Freunden. Ihren Dozenten. Ihren Kollegen.»
«Dann ist ja nichts weiter dabei.» Vera streckte sich und gähnte. «Ein Klacks.» Und damit schlief sie ein, bevor er noch etwas erwidern konnte.
Sie wachte erst wieder auf, als sie vor dem Haus hielten, in dem Lily gewohnt hatte. Glücklicherweise war direkt davor ein Parkplatz frei. Es war Samstagvormittag, und die Einkaufsbummler sparten sich die Parkgebühren, indem sie das Auto in West Jesmond abstellten und mit der Metro in die Stadt fuhren. Die Wohnung lag im Erdgeschoss eines Reihenhauses aus Edwardianischer Zeit; ziemlich nobel für eine Studenten-WG, dachte Vera. Vor der Tür hing blau-weißes Absperrband, drinnen war Billy Wainwright zugange. Vera rief ihn durch das offene Fenster.
«Ihr könnt schon reinkommen», sagte er. «Wir sind fast fertig. Ich kann’s kaum erwarten, endlich ins Bett zu kommen. Das Durchsuchungsteam müsste auch bald hier sein.»
Einen Moment lang blieben sie in der Wohnungstür stehen. Billy sah müde aus, war aber wahrscheinlich viel zu aufgedreht, um schlafen zu können. Er spielte nervös an der Schließe seines Tatortkoffers herum.
«Und, Billy, was haben Sie für mich?»
«Nichts spricht dafür, dass sie hier getötet wurde. Kein Einbruch, keine Hinweise auf einen Kampf in ihrem Zimmer. Die Mädchen, mit denen sie hier wohnt, waren an dem Abend gar nicht da. Sie sind jetzt bei einer Freundin hier in der Straße, falls Sie sich noch mit ihnen unterhalten wollen.»
«Im Bad haben Sie sich wahrscheinlich auch umgeschaut?»
«Klar. Im Abfluss waren ein paar Haare, aber ich würde mein Jahresgehalt drauf verwetten, dass die von den Mitbewohnerinnen stammen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dieser Wohnung hier und dem Luke-Armstrong-Tatort.»
«Badeöle?»
«Massenhaft. Und wir werden sie natürlich alle testen, aber meines Erachtens riecht keins davon wie das Badewasser, aus dem wir den kleinen Armstrong gefischt haben.» Er gähnte. «Wenn ihr noch zehn Minuten hier seid, würde ich dann jetzt gehen. Wie gesagt, das Durchsuchungsteam ist schon unterwegs. Das Zimmer des Opfers ist ganz hinten links.»
Als er fort war, blieben Vera und Joe eine Zeit lang schweigend stehen. Es war kühl im Flur. Gefliester Boden, hohe Decken.
«Nicht gerade die typische Studentenbude», bemerkte Joe. Er schob die Tür zum Wohnzimmer auf, und sie betrachteten die gebeizten Holzdielen, den gusseisernen, offenen Kamin. Ein Sofa mit einem terrakottafarbenen Überwurf, ein Klavier. Alles auffallend ordentlich und pieksauber. «Also, ich könnte mir so eine Wohnung von meinem Gehalt nicht leisten. Wie machen die das bloß? Außerdem dachte ich, Studentinnen sind notorisch unordentlich.»
Vera war schon weiter in die Küche gegangen, die aussah wie die Küchen in einer der Hochglanz-Zeitschriften, in denen sie immer beim Zahnarzt blätterte. Sie machte den Kühlschrank auf. Ein Karton mit Eiern, zwei Plastiktüten mit Salat, Naturjoghurt. In der Tür zwei Flaschen französischer Weißwein.
Es gab drei Zimmer: Zwei gingen nach vorne raus, mit Blick auf die Straße und den kleinen Garten, und eines, Lilys Zimmer, nach hinten. Vera hob sich Lilys Zimmerbis zuletzt auf. Die beiden vorderen Zimmer entsprachen dem Rest der Wohnung: so entsetzlich geschmackvoll, dass Vera am liebsten einen billigen Kunstdruck an die Wand gehängt oder eine scheußliche, billige Vase auf das Fensterbrett gestellt hätte. Die Wohnungen, die sie sich in den Zeitschriften anschaute, waren ihr immer wie Traumgebilde vorgekommen, sie hatte nicht glauben wollen, dass es so etwas wirklich gab. Ihre Arbeit führte sie normalerweise nicht an solche Orte.
Lilys Zimmer war ganz anders. Es war das kleinste Zimmer der Wohnung, kleiner noch als das Badezimmer, und die Möbel darin waren längst nicht so elegant. Sie sahen aus, als hätten die Vorbesitzer sie beim Verkauf der Wohnung dagelassen. Vor dem Fenster, das auf einen kleinen Hof mit Mülltonnen schaute, hingen Spitzengardinen. Im Zimmer standen ein schmales Bett, ein Schreibtisch mit einem Computer und ein funktionaler Kleiderschrank, wie Vera ihn auch hatte, um ihre Kleider zu verstauen. An einer Wand waren billige, unlackierte Regalbretter angebracht, auf denen Taschenbücher standen. Vera streifte ihre Kunststoffhandschuhe über, blieb dann aber
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