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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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einfach nicht. Und sie hatte auch solche Freude an schönen Kleidern. Schon als kleines Mädchen war sie immer ausgesprochen schick. Sie bekam Prozente auf die Kleider, die sie im Laden kaufte. Sie hat mir immer so schöne Sachen zum Geburtstag geschenkt   …» Ihre Hand zitterte, die Teetasse klapperte auf der Untertasse. Ashworth stand auf und nahm ihr die Tasse ab, und Phyllis zog ein kleines Stofftaschentuch aus dem Ärmel und begann zu weinen. «Wir dachten doch, dass sie jetzt wiederkommen würde», stieß sie unter Tränen hervor.«Sie ist doch ein Mädchen vom Land, und die Dorfschulen suchen alle händeringend nach Lehrpersonal. Ich hatte immer dieses Bild im Kopf, dass sie einen netten Jungen heiratet und hier in der Nähe wohnt. Oder zumindest irgendwo, wo ich mit dem Bus hinfahren kann. Und dann ein Enkelkind, solange ich noch nicht zu alt bin, um noch etwas von dem Kleinen zu haben.» Sie atmete tief durch. «Das ist ja alles Unsinn. Achten Sie nicht auf mich.» Wieder schwieg sie, unterdrückte ein weiteres Schluchzen. «Finden Sie einfach nur heraus, wer sie umgebracht hat.»
    Vera bedeutete Ashworth, die weitere Befragung zu übernehmen. Er besaß von Natur aus viel mehr Taktgefühl, als sie sich ein Leben lang aneignen konnte. Und sie hatte sich bereits ihr Bild von der Familie gemacht. Das einzige Kind später Eltern, eine übertrieben fürsorgliche Mutter, ein depressiver Vater. Kein Wunder, dass Lily in den Semesterferien nicht nach Hause wollte und sich ihr gutes Gewissen damit erkaufte, dass sie ihrer Mutter reduzierte Kleider von Robbins zum Geburtstag schenkte. Das konnte man ihr nicht mal vorwerfen. Doch Vera brauchte noch weitere Details, und die würde Ashworth besser aus Phyllis herausbekommen, ohne ihr die Illusion von Lily als liebender Tochter zu nehmen.
    «Wann haben Sie Lily denn zum letzten Mal gesehen?», fragte er. «Sie konnte sicher nicht oft von der Uni weg. Die Lehrerausbildung ist ja sehr zeitaufwendig. Akademisch anspruchsvoll. Und dann noch die vielen Schulpraktika.»
    Das war genau der richtige Ansatz, dachte Vera. Keinerlei indirekte Kritik an Lily. Andernfalls hätte Phyllis auch gleich dichtgemacht.
    «Sie hat uns über Ostern besucht», antwortete die Frau.
    «Und das war ein schöner Besuch?»
    «Wunderbar. Es war fast wieder so wie früher. Am Sonntaghat sie mich sogar in die Kirche begleitet. Es war so ein windiger, sonniger Tag. Die Narzissen haben schon geblüht.»
    «Und seither haben Sie sich nicht mehr gesehen?»
    «Eigentlich wollte sie ja über Pfingsten kommen», sagte Phyllis rasch. «Aber sie musste eine Hausarbeit schreiben. Da brauchte sie die Bibliothek in der Nähe.»
    «Natürlich.» Ashworth lächelte. «Es war ja ihr letztes Semester. Da hatte sie sicher viel zu tun.» Er schwieg einen Moment. «Was für einen Eindruck hat sie denn an Ostern gemacht?»
    «Ganz fidel. Sie hatte den Praktikumsplatz bekommen, den sie sich gewünscht hatte. Eine kleine Dorfschule etwas weiter nördlich an der Küste. Man merkte schon, dass ihre Planungen in die Richtung gingen. Sie wollte die richtigen Erfahrungen vorweisen können, um irgendwann hierher zurückzukehren.»
    Und Vera wurde klar, wie Phyllis sich das gedacht hatte: der nette Junge und das Enkelkind, das Häuschen ganz in der Nähe. Lily hatte von ihrem Schulpraktikum erzählt, und Phyllis hatte alles Übrige dazugedichtet.
    «Sie wird wohl niemanden mitgebracht haben, oder? Einen Freund beispielsweise?»
    «Nein. Ich habe ihr zwar immer gesagt, dass ihre Freunde jederzeit willkommen sind, aber sie kam jedes Mal allein.»
    «Aber hat sie vielleicht jemanden erwähnt? Bei einer so hübschen jungen Frau muss es doch eigentlich jemanden gegeben haben   …»
    «Ich wollte sie nicht ausfragen», sagte Phyllis.
    «Natürlich, das verstehe ich.»
    «Mädchen in ihrem Alter sind ja immer sehr verschlossen. Sie erzählen einem gar nichts mehr.»
    «Aber Sie haben doch seit Ostern sicher einmal mit ihr telefoniert?»
    «Ich rufe sie jede Woche an. Immer sonntags. Da ist es billiger. Sie hat ja nicht viel Geld, da kann man nicht erwarten, dass sie uns auch noch anruft.»
    «Haben Sie sie auf dem Festnetz angerufen oder auf dem Handy?»
    «Auf dem Handy. Dann brauchte sie nicht extra zu Hause zu bleiben.»
    «Und wie ging es ihr in letzter Zeit?»
    «Sehr gut. Sie klang ganz glücklich. Fast euphorisch.»
    «Wissen Sie, weshalb es ihr so gutging? Oder war sie einfach immer so?»
    «Nein, keineswegs immer. Wir haben

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