Totenblüte
unverwundbar. Felicity selbst hatte es immer genossen, bewundert zu werden. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, dass es jemandem egal sein könnte, was andere Leute dachten.
«Guten Tag, Inspector.» Felicity gab Vera die Hand, nicht ohne sich vorher kurz zu überzeugen, dass sie auch sauber war, und die Polizistin bedachte sie mit einem kurzen, festen Händedruck, interessierte sich aber offensichtlich mehr für den Garten.
«Wie wunderschön», sagte sie. «Der macht sicher eine Menge Arbeit.»
«Ach …» Felicity wusste, dass die andere ihr schmeicheln wollte, freute sich aber dennoch darüber. «Wir haben natürlich eine Hilfe für den Garten. Ein älterer Herr aus dem Dorf.»
«Natürlich», wiederholte die Polizistin.
Felicity hörte den sarkastischen Ton, wusste aber nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
«Was kann ich denn für Sie tun?»
«Ich habe noch ein paar Fragen. Sie wissen ja, wie das ist. Es ergibt sich immer wieder etwas Neues.»
Woher soll ich denn wissen, wie das ist?, dachte Felicity. Ich habe vorher noch nie eine Leiche gefunden.
«Sind Ihre Freunde schon wieder weg?»
«Ja, sie mussten alle wieder fahren. Gary arbeitet heute Abend, soviel ich weiß.» Sie fühlte sich zunehmend unwohl, überrumpelt.
«Was arbeiten sie denn? Gary hat mir ja erzählt, was er macht, aber was ist mit den anderen?» Vera trat in den Schatten vor dem Haus, und Felicity folgte ihr.
«Samuel ist Bibliothekar. Und außerdem ein recht bekannter Autor. Er schreibt vorwiegend Kurzgeschichten. Und Clive arbeitet im Hancock-Museum, in der naturkundlichen Abteilung.»
«Tatsächlich? Die habe ich als Kind ja geliebt. Mein Vater hat mich immer dorthin mitgenommen. Da gab es so einen ganz eigenen Geruch. Ich war seit Jahren nicht mehrdort.» Einen Moment lang schien Vera ganz versunken in ihre Erinnerungen. «Ist Ihr Mann vielleicht zu Hause?»
«Er ist im Arbeitszimmer», sagte Felicity. «Kommen Sie doch herein.»
«Arbeitet er etwa auch?»
«An seinem Forschungsprojekt, ja.»
«Wie ich höre, ist er Botaniker. Das muss für den Garten ja ganz nützlich sein.» Veras Ton klang munter und bewundernd, doch Felicity wusste nicht recht, was sie davon zu halten hatte. Sie beschloss, nichts von dem Seevögelprojekt zu erzählen. Das klang womöglich mehr nach Hobby als nach ernsthafter Arbeit, und sie wollte doch, dass die Polizistin Peter ernst nahm.
«Meist trinken wir so um diese Zeit ohnehin einen Tee. Möchten Sie uns nicht Gesellschaft leisten? Ich rufe Peter herunter.»
Felicity hätte sich nicht weiter gewundert, wenn die Polizistin darauf bestanden hätte, Peter im Arbeitszimmer zu stören, doch offenbar war sie versöhnlich gestimmt.
«Ach, warum nicht, Herzchen? Ich muss zugeben, ich verdurste.»
«Wir könnten uns nach draußen in die Sonne setzen.»
«Lieber nicht, Herzchen. Ich habe so eine dumme Allergie gegen direktes Sonnenlicht. Da bin ich ganz schnell voll Beulen und roter Flecken.»
Und so setzten sie sich an den Küchentisch. Felicity hatte Anstalten gemacht, das Teegeschirr auf dem Tablett ins Wohnzimmer zu tragen, doch Vera hatte sie nur am Arm gefasst und davon abgehalten. «Na, na, nur kein Aufwand. Ich bin doch eher Hauspersonal als hoher Besuch.»
Felicity merkte, dass die Polizistin sie nicht ganz ernst nahm, wusste aber immer noch nicht, wie sie darauf reagieren sollte. So nickte sie nur zustimmend, schnitt dieScones auf, die sie tags zuvor aufgetaut hatte, und füllte selbstgekochte Marmelade in ein Schüsselchen. Als Peter aus dem Arbeitszimmer herunterkam, hatte Vera gerade einen Bissen genommen, verschluckte sich beim Versuch zu sprechen und spuckte Krümel über den ganzen Tisch. Felicity hätte Peter gern gewarnt:
Täusch dich bloß nicht in dieser Frau. Sie legt es darauf an, dass du sie für ein dummes Huhn hältst. Dabei ist sie viel klüger, als sie aussieht.
Doch sie spürte, dass Peter die Polizistin völlig vertrottelt fand. Sie sah es an der Art, wie er die Augen verdrehte, während Vera krächzte und hustete und mit Tee nachspülte.
Schließlich war die Show-Einlage vorbei, und Vera ergriff das Wort.
«Ich wurde gestern Abend unterbrochen», begann sie. «Aber ich habe noch ein paar Fragen an Sie. Reine Formsache. Das verstehen Sie doch sicher.»
«Aber selbstverständlich.»
«Sie lehren an der Universität, Doktor Calvert? Miss Marsh hat dort studiert. Sie machte den Aufbaustudiengang für das Grundschullehramt. Sind Sie sicher, dass Sie sie nicht
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