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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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mir jeder recht«, erwiderte sie. »Ich möchte das Gefühl haben, dass wenigstens einer da ist, auf den ich anziehend wirke und der Lust hat, mit mir zu schlafen, denn genau danach ist mir gerade. Einer, der nicht dauernd grübelt oder zürnt oder trauert und der mit gutem Beispiel für die anderen vorangeht. Du musst aufhören, dirununterbrochen Vorwürfe zu machen. Jeder von uns tut Dinge, für die er sich schämt, mancher sogar richtig schlimme, aber keiner von uns ist am Unglück der ganzen Welt schuld. Du bist ein guter, anständiger Mensch, und bestimmt bist du auch ein guter Liebhaber … es muss ja nicht ganz so anständig sein.«
    »Redest du jetzt gerade von Liebe?«, wollte er wissen.
    »Kommt es dir so vor? Ich weiß nicht genau – vielleicht rede ich von Liebe, doch auf keinen Fall rede ich davon, dass du etwas tun oder empfinden sollst, wonach dir nicht ist. Meinetwegen scheiß auf die Liebe, aber lass mich spüren, dass du scharf auf mich bist.«
    »Ich kann das nicht, ohne diese Straßenbahn zu nehmen.«
    »Dann lass sie uns zusammen nehmen, wenn wir sie noch einholen. Wir schnappen uns die Räder und treten auf Teufel komm raus in die Pedale!«
    Als sie sich der Stadt näherten, dämmerte es schon. Der Wind war kühl geworden, aber ihre erhitzte Haut brannte von der Sonne. Ihre Schatten flogen groß und lang neben ihnen her über den sandigen Weg und die abgeernteten Felder. Der herbstfrühe Sonnenuntergang tauchte den Himmel in flammendes Rot. Die Schatten verschwanden, und die Seevögel legten sich im Schilf am Ufer der Amstel schlafen. Das Wasser des Flusses war erst golden, dann grün, und als die Straßenlaternen aufflammten, wurde es schwarz. Käuzchen schrien in den Bäumen. Der schwermütige Geruch des ausklingenden Herbstes wehte durch die Grachten, und als Van Leeuwen und Feline ihre Räder über die Magere Brug schoben, fühlten sie sich wie Rückkehrer aus einer anderen Zeit, vorübergehend fremd unter all den Menschen.
    »Kommst du noch mit rauf?«, fragte Feline, als sie das Tor zu ihrem Garten erreicht hatten.
    Van Leeuwen war jetzt wieder nüchtern, und er zögerte, weil er vorgehabt hatte, nach Hause zu fahren. Da traf ihn ein Regentropfen, dem sofort ein weiterer folgte. Plötzlich standen sie mitten in einem Platzregen, der heftig und laut herunterkam. Das Wasser drang ihnen schnell bis auf die Haut.
    »Stell dich wenigstens bei mir unter«, sagte Feline, »mit deinem Verband und allem.«
    Sie liefen durch den kleinen Vorgarten, trugen die Räder ins Treppenhaus und lehnten sie am Ende des Flurs gegen die Wand. Ein mit Teppichstangen befestigter Läufer aus handversponnener Wolle führte die schmale Treppe hinauf. Als sie nass und tropfend oben angelangt waren, fragte Feline: »Willst du aus den nassen Kleidern raus?«
    Er hörte den Regen gegen die Fenster schlagen, und er roch die Feuchtigkeit in Felines Haar und sagte: »Ja.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Nein«, sagte er.
    »Dann komm nicht mit hinein.«
    Aber er wusste, dass er nie mehr so sicher sein würde, wie er bei Simone sicher gewesen war, und dass es andere Türen mit anderen Frauen davor geben würde, und eines Tages oder eines Abends würde er durch eine dieser Türen gehen, in das Zimmer dahinter. Er würde es nicht müssen, aber er würde gehen, einfach weil sie da war und es eine Frau gab, die ihn hineinbat. Er würde also durch eine Tür gehen, in das Zimmer dahinter, und deswegen konnte er es auch jetzt tun, denn es war ein schöner Tag gewesen. Er musste bloß im Kopf behalten, dass es nicht nur eine Tür war und nicht nur ein Zimmer.
    Sie sperrte auf und trat über die Schwelle. Im Dunkeln drehte sie sich um und küsste ihn, und er dachte, es ist nur ein Kuss. Durch die regenüberfluteten Fenster fiel der Schein der Brückenbeleuchtung und der Straßenlaternen auf die Zimmerdecke; er floss in bunten Schichten über die Wände, sodass es hell genug war, ohne dass sie Licht machen mussten. Feline nahm seine Hand und führte ihn durch den Wohnraum zu einer weiteren Tür, die sie öffnete, und dahinter lag das Schlafzimmer.
    Schweigend kam Feline zu ihm, noch kühl und nass und auf der Haut den Geruch von Rinde und Gras. Sanft berührte sie ihn, so sanft wie schon lange keine Frau mehr, und es schien ihm, als würde seine Haut sich unter ihren streichelnden Händen glätten,bis er ihren Berührungen keinen Widerstand mehr entgegensetzte. Er öffnete die Augen, um sie anzuschauen, doch sie war so nah, er sah nur

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