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Totenreise

Totenreise

Titel: Totenreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lozano Garbala
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herauszukommen. Endlich!
    Seine Augen gewöhnten sich langsam an das Dämmerlicht. Bald konnte er feststellen, dass sich die Umgebung tatsächlich kaum verändert hatte; eine trostlose Ebene mit Tälern und Felserhebungen.
    Der blinde Passagier, der sich ein wenig abseits von Pascal und Beatrice hielt, wirkte hilflos, nach allem, was mit ihm geschehen war; die Flucht, seine Zeitreise, und nun dies hier … Die beiden sahen sich unentschlossen an. Sie hatten nicht die geringste Vorstellung davon, was sie mit ihm machen sollten.
    »Hallo.« Pascal wandte sich an den Mann, der sich ziemlich verloren vorkam und voller Misstrauen war. Ohne den Gruß zu erwidern, entfernte er sich, behielt Pascal und das Mädchen jedoch im Auge.
    Beatrice betrachtete den Unbekannten ebenfalls stumm. Wusste sie vielleicht, ob es sich um einen Verdammten handelte? Pascal forschte unauffällig in ihrem Gesicht, doch es verriet ihm nichts. Dann wandte er sich ab und suchte das Terrain vor ihnen ab. Die kahle Ebene, auf der sie standen, breitete sich bis zum Horizont aus, und ihre Felserhebungen, die er zuvor schon ausgemacht hatte, besaßen, wie er nun sah, glänzende Krater, aus denen zuweilen zischende Gase und auch Fontänen fester Substanz schossen. Darüber hinweg zogen schwarze Wolken, als würden sie von einem Wind getrieben.
    Schon wollte Pascal sich Beatrice wieder zuwenden, als er etwas Merkwürdiges beobachtete. Eine der Wolken, mit weichen, schwammartigen Rändern, kam direkt auf sie zu, senkte sich herab auf ein paar Dutzend Meter Höhe und nahm eine Schwärze an, die alles übertraf, was Pascal bisher gesehen hatte. Er blickte nun zu Beatrice, doch was er in ihren Augen sah, ließ sein Herz stocken. Es war die nackte Angst. Pascal folgte ihren Augen und sah wieder hin zu der schwarzen Wolke. Sie nahm an Geschwindigkeit zu und näherte sich schneller, als es den Anschein gehabt hatte.
    »Beatrice, sag mir bitte, was los ist.«
    Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
    »Ich habe diese Wesen nie zu Gesicht bekommen, aber ich habe von ihnen gehört. Es sind ›dunkle Wolken‹«, sagte sie zögernd, »die aus Schatten bestehen. Schnell! Wir müssen von hier verschwinden!«
    »Schatten?«, fragte er und zückte sein Schwert. »Was meinst du damit?«
    Auf einmal sah er, wie der mit ihnen gereiste Mann, der blinde Passagier, in Panik losrannte, und zwar genau auf die Wolke zu.
    »Warte!«, rief er ihm nach. »Komm zurück, wir tun dir nichts!«
    Womöglich war es das entschlossene Zücken der Waffe gewesen, das den Mann so erschreckt hatte. Aber sie konnten ihn nicht zurückholen. Und die dunkle Wolke senkte sich noch tiefer. Pascal fühlte, dass gleich irgendetwas Schlimmes passieren würde.
    Der Mann rannte noch immer. Als die Wolke beinahe über ihm war, stoppte er abrupt. Anscheinend hatte er etwas gesehen, das ihn zutiefst erschreckte.
    Auf einmal stieß er einen Schrei aus und versuchte zurückzuweichen. Doch die Wolke über ihm löste sich auf und begann, sich in Umrisse menschlicher Schatten zu verwandeln. Überdimensional große Schatten.
    »Siehst du dasselbe wie ich?«, wollte Pascal von Beatrice wissen.
    »Ja. Wie ich es mir gedacht habe, verbinden sich die Schattenwesen, die du siehst, zu einer Wolke und machen sich auf die Suche nach Beute. Wenn sie nah genug sind, trennen sie sich wieder voneinander und …«
    Mehr musste sie nicht sagen, denn die Szene, die sich vor ihren Augen abspielte, sprach für sich; die düsteren Schemen der vormaligen Wolke stürzten herab und umschlangen den Körper des Mannes, ohne dass er etwas dagegen hätte tun können.
    Sie zogen ihm die Kleider vom Leib und ließen sie zu Boden fallen. Als er nackt war, umschlangen sie ihn weiter von allen Seiten mit fließenden Bewegungen, die jedoch etwas Schlimmes bewirkten.
    »Warum schreit der Mann so?«, fragte Pascal. »Kann er die Berührung dieser Wesen denn spüren?«
    »Ja«, sagte Beatrice mit gepresster Stimme. »Er schreit vor Schmerz. Die Schatten bedecken nicht nur den Körper ihres Opfers, sie reißen ihm die Haut Schicht um Schicht herunter. Es ist ihre Art, ihn zu verschlingen.«
    Entsetzt drehte Pascal sich zu ihr.
    »Das ist nicht möglich. Es sind nur Schatten …«
    Beatrice sah ihn nachsichtig an.
    »Wie haben sie ihm dann die Kleider ausgezogen?« Sie strich ihm über die Wange. »Pascal, diese Welt unterscheidet sich völlig von deiner. Du darfst keinerlei Erscheinungsbild trauen. Was du dort siehst … sind nicht einfach

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