Totenreise
Pascal nutzte die Gelegenheit. Mit Macht stieß er Delaveau das Schwert in den Leib.
Delaveau fiel röchelnd auf die Knie, und sein Körper fiel in sich zusammen, löste sich auf zu einem Häufchen Asche. Pascal hatte einen letzten Blick auf Delaveaus Gesicht erhascht; es trug auf einmal heitere und sanfte Züge, aus denen das Böse verschwunden war. Später sollte er verstehen, dass er mit seiner Waffe einen Geist befreit hatte, der nicht anders handeln konnte, als er es getan hatte. Man konnte niemanden verurteilen, der nicht frei war.
Die Toten aus den Gräbern krochen auf sie zu und brachten Pascal zurück in das grausige Geschehen. Beatrice neben ihm schrie auf, doch es war ein Schrei der Hoffnung. In dem Loch, das sie gegraben hatte, waren die Umrisse von etwas aufgetaucht, das Teil eines Sechsecks sein konnte.
»Los!«, rief Pascal, »mach weiter!«, und wirbelte mit seinem Schwert herum.
Sie gehorchte, bis sie irgendwann die Schaufel fallen ließ, sich auf den Boden warf und mit bloßen Händen weitergrub, ohne dem Höllenspektakel, das sich um sie herum abspielte, Beachtung zu schenken.
Ganz in der Nähe war auf einmal lautes Wiehern und das Trappen von Hufen zu hören. Ein durchgegangenes Pferd, vermutete Pascal, während er sich weiter gegen die Zombies zur Wehr setzte. Das Schnauben und Wiehern wurde lauter, und Pascal, der es sich nicht erlauben konnte, in die Richtung zu schauen, aus der es kam, fragte sich, was ein Pferd an diesem Ort hier zu suchen hatte.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Ein Reiter sprengte auf den Friedhof, der sein Pferd mit wütenden Peitschenhieben antrieb. Pascal begriff, dass dem Mann nicht bewusst war, wo er hinritt; er musste zu den Gefangenen gehören, die aus den Kerkern der Inquisition geflohen waren, und achtete offensichtlich mehr darauf, ob er verfolgt wurde, als auf das, was da vor ihm lag. Das Tier bäumte sich wütend auf und weigerte sich, dem Reiter zu gehorchen. Doch sie waren bereits von Toten umgeben und konnten nicht mehr zurück. Sie saßen in der Falle, umringt von den Gestalten an den Gräbern, die ihre Arme nach ihm und dem Pferd ausstreckten. Aus ihren halb verwesten Gesichtern schrie der Hunger. Vergeblich stellte der Mann sich auf den Sattel, um ihnen zu entfliehen. Sein Pferd spürte die ersten Bisse und wieherte voller Entsetzen … und wurde leiser und leiser. Längst war es tot – und stand nur noch auf den Beinen durch den Andrang der Zombies, die sich unter seinem Bauch drängten und das Gemetzel fortsetzten.
In der Menge von Toten, die den gesamten Friedhof bevölkerten, gab es nur zwei menschliche Wesen, die erbitterten Widerstand leisteten: der Mann auf dem toten Pferd und Pascal, der mit dem Schwert um sich schlug, wenn auch vor Erschöpfung immer langsamer. Er versuchte Beatrice zu beschützen, während sie noch immer einen Teil des Sechsecks freilegte. Als sie glaubte, dass es genügen würde, um den Mechanismus auszulösen, sah sie auf.
»Pascal, ich hab’s!«, schrie sie, damit er sie in dem Lärm, den die Monster verursachten, überhaupt hören konnte.
In diesem Moment ging der halb verschlungene Pferdeleichnam zu Boden, und die Zombies machten sich über die Reste her, die innerhalb kürzester Zeit unter Grunzen und Schmatzen verschwunden waren. Der Reiter rettete sich mit einem Satz zu Pascal und Beatrice. Nach ein paar letzten abwehrenden Schwerthieben pressten sie eilig ihre Hände gegen die freigelegte Kammertür.
Ohne das bedrohliche Schwert konnte nichts mehr die Bestien aufhalten, und ihr dumpfes Knurren senkte sich auf Pascal und Beatrice herab, während der Schatten der wilden Horde den Himmel über ihren Köpfen verdunkelte.
***
Dominique robbte noch immer auf dem Fußboden entlang und hatte das Gefühl, dass der Vampir über ihm war.
»Dominique!«
Daphnes Warnruf bestätigte seine Vermutung. Er blieb liegen, drehte sich aber, den Silberdolch in die Luft gereckt, auf den Rücken. Varney, der sich mit gespreizten Krallen auf ihn stürzen wollte, musste vor Dominiques Waffe zurückweichen. Der Vampir entdeckte die scharfe Silberklinge gerade noch rechtzeitig. Wütend verpasste er Dominique einen Prankenhieb in die Seite. Der unterdrückte einen Schmerzensschrei. Er fuhr über seine zerfetzten Kleider und spürte die Wärme seines Bluts. Doch hatte er auch den zweiten Angriff überstanden.
»Komm, ich bin hier!«, rief Daphne dem Vampir zu, um ihn von Dominique und Jules fortzulocken. »Traust du dich
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