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Totenreise

Totenreise

Titel: Totenreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lozano Garbala
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Besonderheit gewusst hatte? Das würde er später herausfinden. Für jetzt aber hatte er genug.
    Auf einmal stiegen die Bilder der eigenen, irdischen Welt in Pascal auf, und ein dringendes Bedürfnis, seine Eltern, den Freund Dominique und die Sonne zu sehen, schnürte ihm die Kehle zu. Und vor allem war da Michelles Gesicht.
    »Ich werde darüber nachdenken«, beeilte er sich zitternd zu sagen, »ob ich wiederkomme. Danke. Jetzt aber … Jetzt muss ich erst einmal zurück in mein Leben. Das ist einfach zu viel, entweder ich gehe auf der Stelle von hier fort oder … oder ich werde, glaube ich, verrückt.«
    Alle, die ihn umringten, traten beiseite, um ihm Platz zu machen. Auch für sie war das, was heute passiert war, ungewöhnlich.
    »Trägst du immer solche Kleider?«, fragte eine Kinderstimme. Als er sich umdrehte, sah er ein kleines Mädchen von ungefähr acht Jahren, das ihn anlächelte. Pascal befiel eine tiefe Traurigkeit über diesen frühen Tod, der sich vielleicht schon vor langer, langer Zeit ereignet hatte …
    Er blickte an sich hinunter und sah, dass er noch immer die lächerliche Verkleidung für die Party bei Jules trug, auch wenn sie seit seiner Flucht vor den Bestien Risse und Flecken bekommen hatte.
    »Wie heißt du?«, fragte er das Mädchen, während er in die Hocke ging.
    »Marian.«
    »Na ja … heute Abend war ein Kostümfest wegen Halloween, und …«
    Ein anderer Toter, der einen Motorradhelm in der Hand hielt, richtete auf einmal das Wort an ihn: »Und das ist deine Kostümierung? Nicht gerade Furcht einflößend.«
    Pascal wusste nicht, was er erwidern sollte. Der andere hatte vollkommen recht. Doch unter den gegebenen Umständen war der Einwand fehl am Platz.
    »Ich heiße Frederick«, fuhr der Mann fort. »Zweiunddreißig Jahre alt, Motorradunfall. Wenn du willst, können wir dir dabei helfen, auf der Kostümparty mit einer … authentischeren Verkleidung Eindruck zu machen.«
    Bei dem Gedanken daran, wo er sich befand, wollte Pascal gar nicht über die Bedeutung des Wortes »authentisch« nachdenken.
    »Wir brauchen nicht lange, du wirst es nicht bereuen«, drängte dieser Frederick ihn. »Nutze deinen neuen Status als Wanderer zwischen den Welten.« Er stockte und blickte einen Moment lang nachdenklich vor sich hin. Dann aber schwärmte er: »Ich bin früher auch oft auf solchen Partys gewesen. Ich erinnere mich gern daran … Also, raff dich auf. Wir haben einen Schminkfachmann unter uns, der lange in einem Bestattungsinstitut gearbeitet hat und dem wir natürlich alle zu tiefstem Dank verpflichtet sind.« Sämtliche Anwesenden lachten über die Bemerkung. »Er ist wirklich professionell, wie du dir vorstellen kannst.«
    Pascal rieb sich die Augen, es war alles so verrückt, so total abgedreht. Doch die Toten dieses Friedhofs, sie waren noch da und betrachteten ihn fasziniert. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass er nicht das Opfer, sondern der Protagonist, der Held dieses Ereignisses war.
    »Ist das wirklich ernst gemeint?«
    Die Umstehenden lachten wieder, und ein paar knufften sich freundschaftlich. Es war deutlich, dass sie schon lange keinen Besuch mehr von einem Lebenden gehabt hatten.
    »Ich weiß, dass das nach einem Scherz klingt«, gestand Frederick lächelnd, »aber du wirst ihn gleich kennenlernen.« Er suchte die versammelte Gruppe ab. »Jemand soll Maurice rufen, wir brauchen seine Dienste.«
    Pascal war vollkommen wehrlos angesichts dieser, im wahrsten Sinne des Wortes, unwirklichen Situation.
    »Helft ihr mir später, wieder zur Pforte zu kommen?«, stammelte er.
    Die Toten erwiderten seine flehenden Blicke mit einem komplizenhaften Lächeln. »Verlass dich darauf, Pascal.«
    ***
    Als die letzten Partygäste in ihren Kostümen vorbeidefilierten, beschloss Michelle, nun schon Pascals Eltern anzurufen. Vielleicht war er ja schon nach Hause gegangen. Sie wollte sich in eine stille Ecke zurückziehen, als Dominique sie plötzlich am Arm packte.
    »Was ist denn?«, fragte sie und bemerkte seine aufgerissenen Augen.
    »Du solltest dir die Kostümschau besser bis zum Ende anschauen, Michelle. Sonst verpasst du etwas.«
    Halb verärgert folgte Michelle seinem Blick und begriff augenblicklich, was Dominique meinte.
    Ihr verschwundener Freund kam nämlich gerade die Treppe herunter, um sich der letzten Gruppe von Monstern anzuschließen, die sich für das Defilee bereit machten. Seine Erscheinung war allerdings so spektakulär, dass er alle anderen in den Schatten stellte.

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