Totenruhe - Bleikammer - Phantom
verlangst von mir, dass ich dich mit einem fremden Mann …“
Rumpelnd und kratzend unterbrach ihn die Stimme: „ICH RÜHRE DEINE FRAU NICHT AN.“
„Wer bist du? Ein Gespenst? Noch eins?“ Konrad fuchtelte mit den Händen in die Richtung der Erscheinung. „Hast du einen Namen, verdammt?“
„ Das ’aus “, sagte Charmaine. „ Es braucht meinön Trost … “
„Es ist nicht das Haus!“, brüllte Konrad. Er war außer sich. Seine Wut war so stark, dass sie seine Angst fast völlig zurückdrängte. „Ich kann einen Mann von einem Haus unterscheinen – sogar im Dunkeln!“
Er verstummte und vernahm ein Geräusch. Es war leise, nichtssagend, und doch trieb es ihn beinahe zum Wahnsinn.
Charmaine streifte ihre Handschuhe ab.
Obwohl es lächerlich war, es so zu sehen, erschien sie ihm nun noch nackter.
„Oh nein“, keuchte er. „Da mache ich nicht mit.“ Er war wollte sich bücken, um die Petroleumlampe aufzuheben und der Erscheinung entgegenzuschleudern, die jetzt zusehends verblasste. Dazu kam es nicht mehr. Die Tür des Raumes öffnete sich. Ein matter Streifen Licht fiel herein, denn im Korridor brannten die Nacht über zwei kleine Lampen. Im Flur stand niemand, der die Tür geöffnet haben konnte, und Charmaine war es auch nicht gewesen. Er sah ihren hellen Körper nun deutlich auf dem Bett sitzen, ein gutes Stück von der Tür entfernt.
Eine Macht packte ihn, die er nicht beschreiben konnte. Er spürte keine Berührungen, nur eine Art Schwindel, als würde jemand den Raum auf eine unerklärliche Weise drehen … und kippen. Er fiel vornüber, seine Hände knallten schmerzhaft auf den dünnen Teppich, er glitt ab und rutschte auf allen Vieren wehrlos auf die Tür zu. Der Teppich blieb an seinen Platz – auf ihn hatte die Kraft keinen Einfluss.
Konrads linker Ellbogen prallte gegen den Türrahmen, und ein heißer Schmerz explodierte in seinem Arm. Es gelang ihm nicht, sich irgendwo festzuhalten. Noch ehe er die Öffnung richtig passiert hatte, schlug die Tür mit gewaltiger Wucht zu und versetzte ihm einen Stoß gegen die Schulter. Aufschreiend taumelte er durch den Korridor, bis die gegenüberliegende Tür seinen horizontalen Fall stoppte.
Er hatte lange nicht mehr geweint, aber nun traten Tränen des Schmerzes und Tränen der Frustration in seine Augen. Er schleppte seinen malträtierten Körper vor die Tür zu seinem Zimmer zurück und lehnte sich hilflos gegen das Holz.
Langsam verarbeitete er, was geschehen war, und dabei wurde ihm eines unmissverständlich klar: Für die unheimlichen Mächte auf Schloss Falkengrund war er kein ernstzunehmender Gegner.
3
Am nächsten Morgen
Die Nacht hatte Konrad in einem der Räume verbracht, die noch nicht aufgeräumt waren. Die Zeit hatte nicht ausgereicht, um das gesamte Schloss auf Vordermann zu bringen. Staub und Verfall bestimmten noch in vielen Ecken das Bild, und während er auf einer brüchigen Chaiselongue zwischen Segeln aus Spinnweben kauerte, fragte er sich, ob diese Nacht nicht ein guter Anlass war, diesem Ort den Rücken zu kehren, am besten mit seiner Geliebten zusammen, und wenn das nicht ging, dann ohne sie …
Doch der Morgen überraschte ihn mit schwer zu begreifender Normalität. Charmaine war guter Dinge, kräuselte untröstlich die Stirn, als sie ihm begegnete, und bat ihn freundlich um Verzeihung für die Nacht. Beim Frühstück plauderte sie mit ihrer melodischen Stimme über dies und das. Dabei erklärte sie ihm noch einmal, das Haus und seine Geister bedürften ihres Trostes, und sie sei so froh, hier zu sein und ihre bescheidene Fähigkeit endlich einmal für „etwas Großes“ einsetzen zu können.
„Deine Gabe wird also über kurz oder lang dafür sorgen, dass die Geister verschwinden?“, fragte er interessiert. Von dieser Seite hatte er es noch nicht betrachtet.
„ Möglisch “, erwiderte sie unbestimmt.
Samuel saß schweigend und mit komplizierter Miene mit ihnen am Tisch und schien nachzudenken, wie er erfahren konnte, was in der Nacht vorgefallen war, ohne sich direkt danach erkundigen zu müssen. Der Junge musste sich ohnehin die meiste Zeit wie das fünfte Rad am Wagen vorkommen. Aber Konrad erging es nicht viel anders.
Ihre Mahlzeiten nahmen sie in dem großen Raum links von der Halle ein. Als sie nach dem Frühstück in die Halle hinaustraten, waren die Geistererscheinungen wieder da, so gut sichtbar wie selten zuvor, von einem geisterhaften violetten Licht beschienen, das nicht von dieser Welt
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