Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
wissen.«
Den Satz verstand Kükenhöner nicht. Wenn ich etwas nicht wissen darf, dann ist das für mich ein Geheimnis, überlegte er. Kükenhöner hasste Wortspiele. Wollte Schwiete ihn auf den Arm nehmen, oder war er selbst zu blöde, den Sinn des Satzes zu begreifen? Er traute sich nicht nachzufragen. Womöglich war die Antwort so simpel, dass er dumm dastehen würde.
Schwiete reichte ihm die Autoschlüssel und sagte: »Du fährst!«
Kükenhöner pfiff leise durch die Zähne, als er das Polizeifahrzeug in die Straße Zum See lenkte. Hier wohnten reiche Leute. War die Familie Kloppenburg damals schon so wohlhabend gewesen, dass sie sich an solcher Stelle ein Anwesen leisten konnte? Oder hatte sein ehemaliger Schulkollege Wilfried diesen Reichtum geschaffen? Kükenhöner konnte sich nicht mehr an den gesellschaftlichen Status der Familie erinnern.
Zwei Minuten später öffnete eine gut aussehende, aber hart wirkende Frau die Haustür. Sie starrte Kükenhöner an wie einen Menschen von einem anderen Stern. Noch bevor sich die beiden Polizisten ausweisen konnten, fragte Brigitte Kloppenburg überrascht: »Karl? Karl Kükenhöner? Bist du das?«
»Brigitte? Brigitte Wanzleben?«
»Schön, dass du dich an mich erinnerst, Karl.«
»Allerdings, Brigitte, ich erinnere mich. Und wie ich mich erinnere!«
Frau Kloppenburg drohte Kükenhöner fast schelmisch mit dem Finger.
Schon wieder so ein Auftritt, der so gar nicht ins Bild passte, wunderte sich Schwiete. Reagierte so eine Frau, deren Mann entführt wurde?
»Kommt doch rein. Ihr seid sicher wegen der angeblichen Entführung meines Mannes hier.« Sie schloss Schwiete in das joviale Du gleich mit ein. Doch in dem Augenblick, als sich die Unterhaltung um Wilfried Kloppenburg drehte, hatte sie wieder diesen harten Zug um den Mund.
»Ja, mein Mann ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen. Aber das ist nichts Neues, der robbt ja seit Jahren durch die Betten Paderborns. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er entführt worden ist. Wenn dem etwas zustößt, dann nur durch die Fäuste eines gehörnten Ehemanns. Kidnappen tut den keiner. Andernfalls wäre doch schon längst eine Lösegeldforderung eingegangen. Oder etwa nicht?«
Plötzlich herrschte Stille. Über das eben noch so harte Gesicht von Frau Kloppenburg liefen plötzlich Tränen.
»Ich halte das nicht mehr aus!«, schluchzte sie jetzt. »Ewig neue Liebschaften, immer wieder verschwindet Wilfried mit einer neuen Bekanntschaft oder einer Prostituierten für mehrere Tage und taucht dann wieder auf. Das ist alles so entwürdigend.«
Brigitte Kloppenburg wurde von einem Weinkrampf geschüttelt, doch schon bald hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg und verschmierte ihr Make-up.
»Wir haben jahrelang eine wirklich gute Ehe geführt. Na ja, Krisen erlebt jede Beziehung. Aber seit zwei Jahren rennt der Kerl jedem Rock nach, der seinen Weg quert. Midlife-Crisis – dass ich nicht lache. Der Kerl macht sich und mich permanent lächerlich. Seit Wilfried mich betrügt, streiten wir ständig. Die Auseinandersetzungen sind immer heftiger geworden. Stellt euch vor, letzte Woche habe ich einen Sarg in unserer Garage gefunden. Das ist doch eine Drohung, die Wilfried an mich richtet. Der will mich umbringen! Ich mache das nicht mehr mit. Letzte Woche ist eine schöne Stadtwohnung von uns frei geworden. Da ziehe ich ein. Ich habe die Nase voll! Montag bin ich hier weg!«
Jetzt meldete sich Schwiete zu Wort. »Sagen Sie, Frau Kloppenburg, sind Sie sich sicher, dass Ihr Mann den Sarg auf Ihr Anwesen gebracht hat? Vielleicht wollte jemand Ihrem Mann damit drohen?«
»Sie meinen …? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Aber warum sollte jemand das tun?«
»Wo steht denn der Sarg, Frau Kloppenburg?«
»In der Garage.«
»Dürfen wir uns mal umsehen?«
»Natürlich. Ich will, dass diese schaurige Geschichte mit dem Sarg möglichst bald aufgeklärt wird. Egal, für wen er gedacht war – für mich oder für meinen Mann –, der Scherz oder auch die Drohung ist der Gipfel der Geschmacklosigkeit.«
»Wir müssen noch heute die Spurensicherung kommen lassen«, beschloss Schwiete. »Vielleicht finden wir ja etwas, das uns weiterhilft. So lange darf keiner die Garage betreten.«
»Ich gebe dir gleich den Schlüssel, Karl«, schlug Brigitte Kloppenburg vor. »Dann könnt ihr sie selbst abschließen und ihn an die Spurensicherung weitergeben, nachdem ihr euch
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