Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
kennen und schätzen gelernt hatte. Hilde Auffenberg war immer eine Art Mentorin von Brigitte Kloppenburg gewesen. Die Verbindung war seit ihrer Pensionierung zwar weniger intensiv geworden, aber nie ganz abgerissen.
Das Teestübchen im Galerie-Hotel war eine von Hilde Auffenbergs Lieblingsorten in der Stadt. Sie stieg die schmale Treppe hinauf in den wunderschönen Raum, wo sie von ihrer Ex-Kollegin winkend begrüßt wurde.
Nach einigen Belanglosigkeiten und einem Stück Kuchen kam Brigitte Kloppenburg zur Sache. »Du, ich glaube, mein Mann geht fremd.«
Hilde Auffenberg zog überrascht die Augenbrauen hoch. Beim ihrem letzten Treffen im Sommer hatte ihre Bekannte noch fast euphorisch von ihrer harmonischen und lebendigen Ehe vorgeschwärmt.
»Richtig sicher bin ich mir noch nicht«, fuhr Brigitte Kloppenburg fort, »aber den Verdacht habe ich schon einige Zeit. Seit gestern bin ich mir fast sicher.«
Sie erzählte, wie aufgeregt ihr Ehemann am Montagmorgen beim Frühstück gewesen sei und dass er versucht habe, mit einer gewissen Alicija zu telefonieren, was ihm aber wohl nicht gelungen sei. Kaum sei ihr Mann aus dem Haus gewesen, angeblich auf dem Weg zu einem Geschäftsfreund, habe sie versucht, an Informationen über das am Vorabend explodierte Haus in Paderborn zu kommen. Sie hatte erfahren, dass bei der Explosion eine junge Frau unbekannter Identität ums Leben gekommen war. Brigitte Kloppenburg war nicht dumm, hatte eins und eins zusammengezählt und war alarmiert gewesen. Am Montagabend hatte sie ihren immer noch nervösen Ehemann zur Rede gestellt, aber der hatte mit der Routine des gewieften Geschäftsmannes alles in Bausch und Bogen abgestritten.
»Ich glaube ihm kein Wort, aber ich kann auch nichts beweisen. Was würdest du an meiner Stelle tun, Hilde?«
Hilde Auffenberg überlegte kurz. Was immer man in so einer Situation sagt, setzt man irgendetwas in Bewegung, ohne zu wissen, wohin die Reise geht, dachte sie. Erst versuchte sie, die in solchen Fällen angebrachten Ratschläge zu erteilen, merkte aber schnell, dass Brigitte Kloppenburg daran wenig interessiert war. Offenbar hatte sie noch nicht alles erzählt.
»Nach der Schule war ich heute in der Stadt bei meinem Lieblingsjuwelier, um mich etwas zu trösten. Der hat sich allerdings ein wenig verplappert, denn er hat erwähnt, dass mein Mann doch so ein guter Kunde sei. Ich weiß nicht, was Wilfried dort gekauft hat, jedenfalls keine Geschenke für mich. Wollen wir wetten, dass alles an diese Alicija gegangen ist? Nun ja, die hat nichts mehr davon, jetzt, wo sie tot ist. Wie ist das eigentlich, wenn …«
Brigitte Kloppenburg wurde plötzlich ganz hektisch.
»Stehe ich eigentlich unter Verdacht, wenn herauskommen sollte, dass diese Tote ein Verhältnis mit meinem Ehemann hatte? Schließlich hätte ich ein echtes Motiv, oder?«
Hilde Auffenberg winkte ab und trank noch einen Schluck Kaffee. »Immer mit der Ruhe! Soweit ich weiß, geht die Polizei davon aus, dass es Selbstmord war. Habe ich heute noch im Radio gehört. Außerdem kanntest du die Frau ja gar nicht, wie hättest du sie umbringen sollen?«
»Hoffentlich hast du Recht. Aber sag mal, könntest du mir einen Gefallen tun?«
Eigentlich hatte Hilde Auffenberg überhaupt keine Lust, sich in diese Ehekrise einzumischen. Sie ließ ihre Bekannte eine Weile zappeln, ehe sie nachfragte, was für einen Gefallen sie gemeint habe.
Brigitte Kloppenburg wusste offenbar nicht recht, wie sie anfangen sollte. Dann sagte sie: »Bei dir wohnt doch dieser Polizist, dieser … Ach egal, den Namen habe ich vergessen. Kannst du den nicht mal ein bisschen aushorchen, wer diese Alicija ist? Oder vielmehr, wer sie war? Würdest du das für mich tun?«
»Wie stellst du dir das denn vor?«, brauste Hilde Auffenberg auf. »Der ist Polizist und darf nicht bei mir in der Küche herumposaunen, wie der momentane Ermittlungsstand aussieht.«
»Ist mir schon klar«, murmelte Brigitte Kloppenburg traurig. »War ja nur eine Idee. Ich dachte mir, Polizisten sind auch bloß Menschen. Und ich weiß noch gut, wie geschickt du als Lehrerin warst, wenn es darum ging, einem Schüler etwas aus der Nase zu ziehen.«
26
Missmutig schloss Künnemeier die Ladentür der Bäckerei Mertens im Ükern. Den ganzen Nachmittag hatte er seinen Schützenbrüdern Kaffee ausgegeben, hatte ihnen den Butterkuchen bezahlt und über die guten alten Zeiten geredet, als sie gemeinsam dafür gesorgt hatten, dass das Ükernviertel nicht von
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