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Totensonntag

Totensonntag

Titel: Totensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Jürgen; Tewes Reitemeier
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Künnemeier fahren und ihn abholen wollte, bekam er noch einen dringenden Fahrauftrag. Keine große Sache, aber er kam eine halbe Stunde zu spät. Willi Künnemeier hatte eine Regenpause ausgenutzt, bereits voller Tatendrang vor seiner Haustür gestanden und auf ihn gewartet. Winter traute seinen Augen nicht, als er den Schützenbruder sah, der komplett in Dunkelgrau gekleidet war und sogar eine dunkle Pudelmütze auf dem Kopf trug.
    »Ist einer gestorben?«, fragte Winter frech, während Künnemeier mühsam in das Taxi stieg. »Sonst trägst du doch immer dieses fröhliche Seniorenbeige oder Schützengrün. Warum jetzt diese Trauerfarbe? Das Wetter ist doch grau genug.«
    Künnemeier schnaufte empört, während er sich bemühte, den Sicherheitsgurt zu fixieren. »Genau deshalb, du Kindskopf. Du hast doch keine Ahnung von Tarnen und Täuschen, warst ja nicht mal bei der Bundeswehr. So etwas lernt man natürlich nicht, wenn man als Zivi alten Leuten den Hintern abputzt. Du musst dich immer der Umgebung anpassen, Junge. Und wenn die grau ist, dann musst du auch grau sein. Verstanden?«
    Johnny Winter nickte ergeben und aktivierte das Taxameter.
    »Was machst du denn jetzt?«, rief Künnemeier entsetzt. »Warum schmeißt du denn das Ding an? Ich will diese Fahrt doch nicht bezahlen.«
    »Das geht nicht anders«, entgegnete Winter seelenruhig. »Sobald der Beifahrersitz spürt, dass auf ihm Gewicht lastet, muss das Gerät aktiv sein, sonst springt die Karre nicht an. Was soll ich machen? Sonst musst du leider in den Kofferraum. So teuer wird das ja auch nicht, ist doch nur bis Bad Lippspringe.«
    »Was? Nicht teuer?«
    Künnemeier wollte eben den Gurt wieder lösen und aussteigen, als Winter anfuhr und stark beschleunigte. Dem alten Herrn blieb nichts anderes übrig, als mit verschränkten Armen schmollend sitzen zu bleiben. Während sie die Detmolder Straße entlangfuhren, warf Künnemeier immer wieder einen verstohlenen Blick auf das Taxameter und runzelte die Stirn.
    »Hast du denn wenigstens die genaue Adresse dieses Sargdiebes? Wie heißt er noch? Kloppenburg?«, wollte er wissen. »Kennst du dich in Bad Lippspringe aus?«
    »Ich habe doch ein Navi, kein Problem«, beschwichtigte Winter, aber Künnemeier blieb skeptisch.
    »Auf so ’n Ding würde ich mich ja nicht verlassen«, brummte er. »Ich traue solchen technischen Sachen nicht. So ein kleines Ding kann ja schon irgendwie denken, aber du kannst nicht sehen, womit es denkt. Nee, nee. Da fahre ich lieber mit Karte und Kompass.«
    Winter ersparte es sich darauf hinzuweisen, dass Künnemeier weder mit Navi noch mit Kompass fahren konnte, weil er seit vier Jahren keinen Führerschein mehr hatte. Eines Tages war er auf dem Rückweg von einer Vorstandssitzung seines Schützenvereins von der Polizei gestellt worden. Der Alkoholgehalt in seinem alten, aber ansonsten bestens in Schuss gehaltenen Körper war so hoch gewesen, dass er sich von seinem Führerschein hatte verabschieden müssen. Er hatte sich danach nie darum bemüht, den Schein wiederzubekommen. Als Stadtmensch brauchte er sowieso kein Auto.
    An der Stadtgrenze von Bad Lippspringe fragte Künnemeier:
    »Wie heißt denn die Straße?«
    »Zum See!«
    »Oh!« Künnemeier schnalzte mit der Zunge. »Das ist aber ’ne feine Gegend. Da wohnt ein Schützenbruder von mir, der war jahrelang Hauptmann bei den Lippspringer Schützen. Feiner Kerl war das. Und großzügig war er, hat gerne mal ’ne Runde ausgegeben. Da wohnt also unser Sargdieb? Sieh an!«
    Mit der ihm eigenen Gelassenheit steuerte Winter das Taxi durch die Kurstadt, fand ohne Probleme die Abfahrt und bog Sekunden später auf die Straße Zum See ein. Von der feinen Gegend war wenig zu erkennen, schließlich war es inzwischen stockfinster. Nur einige Straßenlampen spendeten etwas Licht. Als auf der linken Straßenseite plötzlich eine Wasserfläche zu erahnen war, meldete Winters Navi, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.
    »Hier ist es!«, rief er aufgeregt und wollte das Auto an Ort und Stelle anhalten.
    »Bist du verrückt? Los, fahr weiter! Oder willst du gleich gesehen werden? Da vorn macht die Straße eine Kurve. Vielleicht können wir dahinter anhalten. Diese Zivis!«
    Genervt fuhr Winter um die besagte Kurve, parkte aber noch nicht sofort, weil Künnemeier darauf drängte, mehr Abstand zum Zielobjekt zu halten.
    »So ein Taxi fällt doch auf«, dozierte er. »Daran kann sich jeder noch tagelang erinnern.«
    Als sie endlich einen Parkplatz gefunden

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