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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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bekommen.«
    »Papa!«
    Sie drehten sich um.
    Ein kleines Mädchen stand in der Tür.
    Sie trug ein Nachthemd, das mit Schädel- und Knochenmotiven bestickt war und hatte eine Stoffpuppe in der Hand, die einen Leichendrull darstellte.
    »O nein …«, murmelte Bolgur mit einem Kloß im Hals.
    »Nenia, meine kleine Prinzessin.«
    Mühsam richtete sich Thanatos auf, als die Nachtelfe schluchzend heraneilte und sich an seine Brust warf.
    »Du musst jetzt tapfer sein«, flüsterte er und strich tröstend durch ihr rabenschwarzes Haar. »Erinnere dich an das, was ich dir immer gesagt habe: Das Leben ist ein natürlicher Bestandteil des Todes.«
    »Ich will nicht, dass du gehst!«, weinte sie und ballte ihre kleinen Fäuste.
    »Meine Zeit ist gekommen, Nenia, aber du hast noch dein ganzes Leben vor dir.«
    »Ich werde dich zurückholen!«
    »Nein, Prinzessin.«
    Der Totenbeschwörer schüttelte den Kopf.
    »Weißt du noch, wie es war, als wir Onkel Balthasar zurückgeholt haben? Danach war er nicht mehr derselbe. Dauernd hat er nach den Dienstboten geschnappt, und dann hat er auch immer seinen Arm irgendwo verlegt.«
    Thanatos verzog das Gesicht zu einer Grimasse und verstellte die Stimme:
    »Wo ifft denn jetft fon wieder diewer verdammte Arm! Und mein Kiefer müffte auch neu juftiert werden, fum Donnerwetter noch mal!«
    Nenia lachte aufschluchzend.
    »Und dann ist ihm der Kopf abgefallen«, schniefte sie.
    »Und dann ist ihm der Kopf abgefallen«, wiederholte ihr Vater.
    »Die bösen Leute, die dir das getan haben, sollen dafür bezahlen!«
    Die Tochter des Totenbeschwörers wandte sich um und fixierte die bösen Leute mit einem vernichtenden Blick.
    Die vier Helden sahen niedergeschlagen zu Boden.
    »Es ist nicht ihre Schuld«, sagte Thanatos. »Ich habe mit Mächten gespielt, die ich nicht kontrollieren konnte. Wer weiß, wenn diese vier tapferen Helden nicht aufgetaucht wären, vielleicht wäre sogar ein noch größeres Unglück geschehen.«
    Er hustete.
    »Es ist seltsam: Ich hatte eigentlich nie richtige Freunde – die meisten Leute, die auf meinem Gebiet arbeiten, sind eher weniger kontaktfreudig. Aber wenn ich jetzt zurückblicke und an all die Erinnerungen denke, die wir miteinander teilen, stelle ich fest, dass diejenigen, die ich jahrelang für meine schlimmsten Feinde gehalten habe, zu denen gehören, die mir stets am nächsten standen. Meine Freunde – ich darf euch doch so nennen?«
    »Natürlich«, murmelten Brom, Selphyne, Falfnin und Bolgur.
    »Würdet ihr mir einen letzten Gefallen tun, meine Freunde?«
    »Sicher«, murmelten sie.
    »Nenia, Prinzessin, sei so gut und hol Papa Feder und Pergament von dem Schreibtisch da drüben.«
    Nachdem er beides erhalten hatte, begann er zu schreiben.
    »Das sind die Namen meiner nächsten Verwandten. Bitte sorgt dafür, dass meine kleine Nenia bei einem von ihnen ein gutes Zuhause findet, einen Ort, wo sie behütet heranwachsen und sich entfalten kann.«
    »Versprochen«, erwiderte Brom mit dumpfer Stimme und nahm das Papier entgegen.
    Thanatos ließ sich zurücksinken.
    »Jetzt, da ich weiß, dass meine kleine Prinzessin in guten Händen ist, kann ich diese Welt ruhigen Herzens verlassen. Adieu, meine liebe Nenia, adieu, meine Freunde.«
    Der Totenbeschwörer seufzte tief, ein matter Glanz legte sich auf seine Augen, und dann starb er.
    »Papa!«
    Nenia warf sich schluchzend über ihn.
    Die vier Helden schwiegen tief betroffen.
    Plötzlich drehte sich die kleine Nachtelfe zu ihnen um, ihr tränenüberströmtes Gesicht war eine Maske des Zorns.
    »Ich werde euch alle töten!«, sagte sie, jede Silbe betonend.
    Der Tag, an dem die Beerdigung stattfand, war trübe und regnerisch.
    Die Helden und Thanatos’ Tochter waren die einzigen Trauergäste. Sie standen mit großen schwarzen Regenschirmen, von denen das Wasser in Strömen hinablief, vor der offenen Grube und sahen zu, wie ihr einstiger Widersacher in der Erde versenkt wurde.
    Weil es sich bei dem Verstorbenen um einen Totenbeschwörer handelte, fügten die Bestatter in seinem Fall eine sogenannte Reanimationssperre hinzu, eine etwa anderthalb Meter dicke Schicht aus Beton, der mit antimagischem Stupidium versetzt und mit mächtigen Schutzrunen gezeichnet war.
    Personen, die lange in der Zombie-Erzeugungsbranche tätig waren und dabei mit nekromantischer Energie kontaminiert wurden, besaßen die unangenehme Angewohnheit, nach ihrem Tod gerne mal in die Welt der Lebenden rüberzuschlurfen, um ein wenig frische

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