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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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der Küche. Nach dem traditionellen Weinbaugebiet Bordeaux hat Xavier uns jetzt mit dem Languedoc-Roussillon vertraut gemacht. Diese Region war schon immer für Massenproduktion bekannt. Aber seit einigen Jahren verwirklichen sich dort junge unkonventionelle Winzer. »Das Languedoc ist die Neue Welt Frankreichs«, lese ich in einem Weinjournal. Ich schaue auf die Karte, betrachte das langgezogene Stück Küste zwischen Montpellier und Perpignan und bemerke, wie das helle Grün an der Küste landeinwärts dunkler wird. Berge, denke ich. Ich sehe Sandstrände, Flüsse und eine lange blaue Linie, den Canal du Midi.
    An diesem Abend öffnen wir ein paar der Flaschen: Rotwein von den Weingütern La Rectorie und Sarda Malet , einen Weißwein von Mas de Daumas Gassac . Nach der vollmundigen Noblesse der Bordeaux-Weine kommt es mir vor, als würde sich alles öffnen. Ich schmecke Früchte, Weite, Kräuter und Gewürze, die ich nicht benennen kann, aber vor allem Charakter. Drei Flaschen Wein, drei vollkommen unterschiedliche Persönlichkeiten. Meine Neugier wächst.
    Wir gehen wieder auf Reise. Diesmal sind Rex und Anneke als Babysitter mit von der Partie, und Rex ist begeistert von dem Abseits-der-ausgetretenen-Pfade-Charakter unseres Projekts. »Ein großartiger Plan, raus aus dem Büro, mit den Kindern in der Natur leben, mit den Händen arbeiten …« Unsere Abenteuerlust wird allerdings ein wenig gedämpft, als wir auf die Autobahn fahren und uns in die Reihe der Familienautos voll quengelnder Kinder und Heckscheiben mit bunten Stickern einreihen. Es fehlt nur noch, dass wir einen Wohnwagen hinter dem Auto herziehen. Ich betrachte die saubere Landschaft mit dem kerzengeraden Mais auf den Feldern, den zu ordentlichen Rollen gepressten Heuballen, den touristischen Hinweisschildern am Wegesrand und fühle, dass das raue Abenteuer, das wir uns vorgestellt hatten, noch nicht in Reichweite ist.
    Es ist schon fast Abend, als die sanft abfallenden, frischgrünen Hügel langsam in eine immer trockenere Landschaft übergehen. Ich bemerke zufrieden den ersten Olivenbaum, die Felsen im Hintergrund und dann das erträumte Ziel der Reise, einen glänzenden Streifen am Horizont – das Mittelmeer. Ich habe das Gefühl, dass wir angekommen sind.
    Ãœber »Moerland«, eine niederländische Ferienhausvermittlung in Frankreich, haben wir ein großes, ockergelbes Haus auf einem Hügel in der Nähe von Saint-Chinian gemietet. Von der vorderen Terrasse aus hat man eine weite Aussicht über ein Tal mit hohen Felsen, die dicht mit dunklen Sträuchern bewachsen sind. Es ist eindrucksvoll still.
    Ich stelle mir vor, dass das Haus einem niederländischen Chirurgen und seiner Frau gehört. Das große Sofa stand vor noch nicht allzu langer Zeit in ihrem Haus in den Niederlanden, auch die Küche von Ikea haben sie in Kartons von dort mitgebracht. Sie kommen mit Freunden ihres Alters hierher, trinken an dem großen Holztisch vor dem Haus ein paar Schnäpschen und Wein, den sie bei einem Produzenten aus der Region gekauft haben. Dazu essen sie selbstgemachte Tapenade, südfranzösische Olivenpaste.
    Und jetzt sind wir hier.
    Morgens, wenn alle noch im Bett liegen, setze ich mich draußen an den Tisch. Ich blicke über das große, stille Tal, wo vor mir, aber weit weg, die Dächer einiger Häuser aufleuchten, ich sehe die hohen Felswände, eine einzelne Zypresse. Es ist vollkommen windstill, und egal wie lange ich schaue, bewegt sich nichts. Ich starre in das Tal, und das Tal schaut zurück, wortlos, mit einer Ausdauer, die beinahe unhöflich wirkt. Leicht irritiert stehe ich auf, kehre der Aussicht den Rücken zu und gehe die Treppe hinauf, zurück ins Haus.
    Als Erstes treffen wir einen niederländischen Weinimporteur, der ein Weingut im Roussillon besitzt. Wir hatten den sympathischen, selbstsicheren 50-Jährigen in Bundfaltenhose mit hellblauem Hemd bereits in den Niederlanden getroffen. Seine riesige Architektenvilla steht in einem deutlichen Kontrast zu seinem Weingut in Südfrankreich, das er zusammen mit einigen Freunden gekauft hat – ein raues Fleckchen Erde auf einem verdorrten Ausläufer der Pyrenäen. Ein Wohngebäude gibt es dort nicht, nur eine Betonterrasse mit einer von Weinranken überwucherten Pergola. Ich blicke auf den langen Tisch mit den Metallstühlen und kann es mir plötzlich

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