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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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Erschöpfte Geschäftsleute stapeln Betten auf einen Anhänger, wacklige Ständer mit Ansichtskarten werden erleichtert hereingeholt. Abends laufen wir über den dunklen Boulevard. Ein tiefstehender Mond spiegelt sich im schwarzen Wasser, der Sand ist noch warm, aber es ist menschenleer. Wir setzen uns auf eine Bank und blicken auf das Meer, ich stille Laartje, rieche an ihren wilden Haaren, halte ihr warmes Füßchen in meiner Hand. Aad ist mir nahe, unsere Verbundenheit spürbar.
    Wir treffen uns mit Thierry, einem Makler der Behörde, die für den Verkauf von landwirtschaftlichen Betrieben zuständig ist. In unserem Apfelauto fahren wir hinter ihm her, verlassen den Badeort und folgen einem schmalen, von Pinien gesäumten Weg, der uns schon bald in eine offene, flache Landschaft führt, die teilweise unter einer dünnen Schicht Wasser liegt. Eine große Gruppe weißer Vögel watet schlecht gelaunt durchs Wasser, wobei sich die Tiere aus dem Weg gehen wie gelangweilte Menschen in einer vollen Einkaufsstraße.
    Auf einer Anhöhe mit Blick über ein langgestrecktes Feld mit ordentlich aufgebundenen Weinreben steht ein großes Haus mit dunkelgrünen Fensterläden, wir befinden uns auf dem Weingut Rivière le Bas . Nachdem wir unser Auto abgestellt haben, laufen wir zum Haus hinauf, der Wind führt einen Hauch salzige Luft mit sich. Oben an der Böschung neben dem Haus steht eine Gruppe Arbeiter an einem langen Sortiertisch, auf dem hellgelbe Weintrauben langsam vorbeigleiten. Eine elegante Frau mit hochgesteckten Haaren und einer weißen Schürze nimmt ab und zu eine Rispe vom Tisch und wirft sie mit einer gelangweilten, leicht verärgerten Bewegung in einen Plastikeimer, der neben ihr steht. Das muss die Besitzerin von Rivière le Bas sein, die offensichtlich gerne so schnell wie möglich von ihrer Aufgabe entbunden werden würde. Ihr Mann nähert sich der Gruppe, ein älterer Herr in geschmackvoller Freizeitkleidung, der einen Schlauch hinter sich herzieht. Als er uns sieht, legt er den Schlauch zur Seite, wäscht sich die Hände an einem kleinen Kran, um anschließend ein joviales Lächeln auf seinem Gesicht zu platzieren, das nur schlecht zu der müden Enttäuschung passt, die sich in seinen Augen spiegelt. Mon dieu , ein viel zu junges Paar mit einem Baby in diesem albernen Tragesack? Und ich muss meine Arbeit unterbrechen?, scheint er zu denken. Aber er ist ein höflicher Mann, gute Umgangsformen sind Teil seiner Persönlichkeit. Und so begleitet er uns freundlich zum Eingang des Weinkellers, betont noch einmal, dass wir uns gerne überall umschauen dürfen, und macht sich dann aus dem Staub.
    Â»Alors, ça c’est une cave bien équipée« , bemerkt Thierry zufrieden, und wir betrachten die vielen großen Geräte aus glänzendem Edelstahl, die riesige glänzende Presse, die vor sich hin brummt, die durchsichtigen Faltenschläuche, die den Traubensaft durch eine dunkelrote Pumpe in hohe, blitzsaubere Tanks leiten. Das Wort »funktional« drängt sich mir auf.
    Wir gehen nach draußen und laufen an dem zweistöckigen Gebäude mit den halbgeschlossenen Fensterläden entlang, einem Bau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, wie ich vermute. Wir gehen eine kleine Freitreppe hinauf, öffnen die schweren Holztüren und blicken in eine dunkle Halle mit grau-schwarz gefliestem Boden. Es ist kühl im Haus, aber die Luft ist abgestanden und hängt voller vergessener Gerüche – hier ist wohl schon lange niemand mehr gewesen. Im Erdgeschoss bewegen wir uns von einem schummrigen Raum zum nächsten. Vier Räume von vier mal vier Metern folgen aufeinander, und wir fragen uns, wie man hier gewohnt hat, denn in diesen Durchgangszimmern gibt es nirgends einen direkten Weg nach draußen. Der Grundriss der ersten Etage ist identisch, in mir steigt eine unendliche Traurigkeit auf, es ist das Nichts.
    Â»Ist doch wunderbar, so nah am Meer zu leben!«, muntern wir uns gegenseitig auf. Ich bewundere die Böden mit den alten Zementfliesen, in jedem Zimmer findet sich ein anderes Motiv. Thierry betont noch einmal, welche hohe Qualität die Ausstattung des Weinkellers habe. Wir treten ans Fenster, um uns die Lage der Weingärten anzuschauen. »Warum sind hier eigentlich überall Fliegengitter vor den Fenstern?«, frage ich und »Warum wohnt hier niemand?«.
    Draußen vor dem

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