Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
Vom Netzwerk:
dem, was Liebe ist. Welch ein trauriger Rückzug der Embryologie: darauf zu dringen, daß die Ehefrau das Kind zur Welt bringt. Wenn die Ehe deine Wissenschaf in solchem Maße schwächt, brauchtest du mir ja keinen Spiegel zu kaufen.«
    »Natürlich, unsere Liebe hat ihren Embryo im embryologischen Institut entwickelt. Und du schienst zu hoffen, diese Wissenschaft Embryologie besäße alle göttliche Schöpfungskraf und alle satanische Zerstörungskraf, eine so gewaltige Kraf, daß selbst solche Begriffe sie nicht auszudrücken vermöchten. Meintest deshalb mich, den Embryologen, zu lieben. Aber diese Liebe war Abscheu. Den Eindruck habe ich heute. Will sagen: du verabscheutest den Traum des Embryologen. Die Mutter im Weib rang mit der Embryologie. Auch jetzt bin nicht ich es, der sich wirklich ein Kind wünscht. Sondern du bist es. Daß es genau anders wäre, machst du dir nur vor. In Wahrheit liegt es wohl so: du beginnst allmählich die Dinge vom Standpunkt des Embryologen aus zu sehen, und ich von einem mütterlichen Standpunkt aus. Das ist die Ehe. Wir kommen viel zu gut miteinander aus, – wollen wir es also nicht dabei lassen?«
    »Ja.«
    Die Dame sah im mittleren Spiegel die schöne Rosenfarbe ihrer Wangen. (Reinlich weißer, weiter Frisiersalon. Der Maniküretisch dort. Der Gynäkologe, dem ein Mädchen, es hat eine Haut wie blitzende Tierzähne, die Nägel poliert.) – erinnerte sie sich, und Heiterkeit stieg in ihr auf von dem warmen Glücksgefühl der Wangen. (Im klarsichtigen Wasser treibende Buttocks eines schönen Knaben. Er schwimmt, der Knabe, wie ein Frosch.) Der Mann hatte das Zimmer verlassen und war gegangen. (Ja, was sind das denn für Manieren! Badet hier zusammen, Junge und Mädchen, und splitterfasernackt! ruf der Lehrer, der am Fluß vorüberkommt. Der schöne Knabe schwimmt ans Ufer, steht dann aufgerichtet im Gras, und seine Buttocks glänzen in der Sonne: Aber, Sensei, wir haben ja keine Kleider an, also weiß auch keiner, was Junge ist und was Mädchen.) Die Dame sah, daß sie im Spiegel sich schämte wie ein junges Mädchen. Sie war das Mädchen gewesen. Und das Mädchen dachte: (Wirklich ein netter Junge, wie er den Lehrer lächeln machte! Dann das Ordinationszimmer ihres Vaters, des Gynäkologen. Das weiße Email des Operationstischs. Großer, großer Frosch, den Bauch nach oben gedreht. Die Tür zum Ordinationszimmer. Das weiße Email der Klinke. Und im Innern des Zimmers hinter der Tür mit der weiß emaillierten Klinke das Geheimnis. Selbst die, die sie jetzt ist, spürt es noch. Die emaillierte Waschschüssel. Wie so manche Türen an Zimmern hier und da, und sie will schon mit der Hand die weiß emaillierte Klinke berühren und zaudert plötzlich doch. Der weiße Vorhang. Einmal, das war an einem Morgen auf einer Studienfahrt mit dem Lyzeum, und ich sah einem Mädchen aus meiner Klasse zu, wie es sich das Gesicht in dem weiß emaillierten Becken wusch: unerwartet kam mir der Wunsch, ich könnte diesen Menschen lieben wie einen Mann. Oder beim Friseur. Sein weißer Kittel, zu dem sie, klein war sie noch, aufsah unverwandt, während sie Stirn und Brauen rasiert bekam. Dann das Handtuch. Nein, das war nie vorgekommen, daß am Ufer des Flusses, in dem wir schwammen, der Lehrer vorübergegangen wäre. Das mußte in einem Buch gestanden haben. Ob eigentlich selbst in Tōkyō sich Regenbogen bilden? In diesem Spiegel auch? Unterm Regenbogen am Ufer des kleinen Flusses stand sie, das Kind. In der Strömung wie eine Silbernadel, ein winziger Fisch. Herbstwind. Dachte sie, das Kind, als sie ihn sah: Einsam wird er sich fühlen, der Fisch. Daß die Ratten aus dem Nil geboren würden, daß der Tau, der auf den Blättern des Grases hafet, die Mutter der Insekten wäre, daß, wenn die Sonne im Flußschaum glänzt, die Frösche entstünden, – dies glaubten, heißt es, die Menschen des Altertums. Schnee. Wachs. Feuer. Modernde Erde. Schon der Grieche Aristoteles wußte von der Jungfernzeugung. So entsteht die männliche Biene aus dem unbefruchteten Ei. Nuptial flight – Hochzeitsflug. Nuptial ceremony – Ritus der strahlenden Lichter. Nuptial song – Brautkammer-Oden. Brille des kurzsichtigen Mannes, die ihr nackter Fuß zertrat. Nuptial bed – Lager auf dem ersten Kissen. Nuptial flight – Flug der Freier. Federgewand der himmlischen Jungfrau. Unbeflecktheit des Engels. O Heilige Jungfrau Maria, rief der katholische Erzbischof, als er Carl von Siebold, den Gelehrten, besuchte, – so

Weitere Kostenlose Bücher