Trapez
Kaffeeklatsch oder so was.
Sie haben mich gefragt, ob ich mitkommen will, aber ich dachte, dass ich Plätzchen nicht so gern mag, um durch die ganze Beterei hindurc h dazubleiben. Da hole ich bes ser meine Lektionen auf und schick’ den ganzen Kram zu der Fernschule in Baltimore, und muss mich dann einen Monat oder so nicht damit rumärgern. Mutter hat mir in der letzten Karte, die ich von ihr bekommen hab’, geschrieben, dass ich immer meine Lektionen lernen sollte.«
»Papa ist in die Stadt gegangen. Er kennt da jemanden, der Trapezaufbauer bei Woods-Wayland war. Er ist bei der ganzen Familie zum Abendessen eingeladen. Glaubst du, dass Matt mit in die Stadt fahren will?« Angelo band seinen Schlips.
»Nein, er ist mit ein paar Leuten von der Truppe Kartenspielen gegangen.«
Angelo schnaubte vernehmlich. »Na ja, mit dem Geld, das wir unterwegs verdienen, kann er nicht viel losmachen .« Durch ein lange bestehendes Familienabkommen verwaltete Papa Tony die Santelli-Finanzen während der Spielzeit und gab den and eren nur kleine Beträge, die er ›Zigarettengeld‹ nannte. Am Ende der Saison wurde das Geld zwischen den Artisten aufgeteilt, oder, wie in Tommys Fall, gespart. Tommy bekam drei Dollar Taschengeld die Woche, aber da es mehr war, als seine Eltern ihm je gegeben hatten, war er zufrieden. Bei zwei Schnürbändern für fünf, Icecream-Sodas für fünfzehn und Kinofilmen für fünfunddreißig Cents, hatte er immer noch Geld übrig.
»Kommst du hier allein zurecht, Tom? Bleib nicht zu lange auf und verdirb dir nicht die Augen mit diesen verdammten Batman-Comics«, mahnte Angelo und ging.
Tommy arbeitete eine Stunde an seinen Lektionen, legte dann seine Bücher weg und streckte sich mit einem Comic auf seinem Bett aus. Er hatte ungefähr eine halbe Stunde gelesen, als Mario, na ss bis auf die Haut, hereinkam. Er ri ss sein nasses Hemd runter und holte sich ein Handtuch aus dem Schrank.
»Gehst du wieder weg?« fragte Tommy.
»Glaub’ nicht. Ich hab’ dreiundneunzig Cents verloren und mich entschieden, dass das genug Hochfinanz für einen Abend ist. Diese abgewichsten kleinen Städte hier in der Bibelregion, wo sie immer noch örtliche Prohibition haben. Die schmuggeln mexikanisches Bier über die Grenze, und es schmeckt wie ungesalzene Pferdepisse…
Verdammt, die Limonade, die du an der Würstchenbude kriegst, kann man besser trinken. Und die macht mehr an.
Ich dachte, du gehst mit Angelo in die Stadt?« Mario kam herüber und beugte sich über das Bett. »Was liest du?«
»Comics.«
Mario blätterte darin. »Die grüne Laterne – Superman – Captain Marvel – Mandrake der Zauberer. – Hab’ nie gewu ss t, dass du das Zeug magst.« Er nahm ein Batmanheft und blätterte durch die Seiten. »Das halte ich nicht aus.« Er zeigte auf ein Bild von Batman und Robin auf einem Trapez in einem Winkel, den kein Trapez, ohne die sofortige Aufhebung der Schwerkraft, je hätte erreichen können, in Haltungen, die garantiert mehrere Muskeln in ihren Armen zerreißen würden.
»Ich wette, dass der Typ, der dieses Zeug zeichnet, noch nie einen guten Fliegerakt gesehen hat!« Tommy schob die Comichefte vom Sofa herunter. Mario las viel unterwegs –Detektivmagazine –ScienceFiction – Luftkrieghefte – aber Tommy wu ss te, dass er Comichefte für kindisch hielt. Und er hatte es sich fast abgewöhnt, sie zu lesen, wenn Mario dabei war.
Mario zog seine Schuhe aus. »Poker ist sowieso eine blöde Art, einen Abend rumzukriegen. Ich lese viel lieber ein gutes Buch zwischendurch. Nur, wenn ich nicht ein bi ss chen Zeit mit den anderen verbringe, glauben sie noch, dass ich ein überheblicher Mistkerl bin, und ich muss sowieso schon imm er das Zeug über das Unterrich ten in der Ballettschule schlucken. Als ob es mir, verdammt noch mal, Spaß macht, die halbe Nacht rumzusitzen und schmutzige Witze zu hören und von dem lausigen Bier krank zu werden!«
»Ich muss eine Briefmarke auf meine Matheaufgaben für die Schule kleben. Hast du eine Drei-Cents-Marke?«
Mario sah hilfsbereit in seiner Brieftasche nach. »Ja!
Eine nur. Ist das der Brief?« Mario frankierte den Umschlag, legte ihn auf den Küchentisch und kam zurück in das vordere Zimmer. Plötzlich gab es einen Donnerschlag und die Lichter im Wohnwagen gingen aus.
Mario lachte in der Dunkelheit. »Geschieht Lambeth ganz recht, wenn er versucht, Benzin für den Generator zu sparen und ihn an die Stadtstromkabel anschließt ! Ich wu ss te, dass das
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