Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
Gewalt handelt sich um organisierte Kriminalität. Wer hier versucht, „allein gegen die Mafia“ zu agieren, bringt sich selbst in Gefahr und oft genug auch die Betroffenen. Daher gilt insbesondere für professionelle Helferinnen, wie etwa Traumatherapeutinnen: Dem Opfer helfen, sich in Sicherheit zu bringen, ist in Ordnung. Hinter dessen Rücken Privatdetektiv zu spielen oder die Täter anzuzeigen, ist es nicht. Sehr wohl aber können wir prinzipiell in Fachpublikationen, seriösen Medien und auch den Strafverfolgungsbehörden gegenüber unsere Informationen weitergeben, sofern dies der Schweigepflicht gegenüber den Klientinnen nicht widerspricht.
Im Band „Wege der Traumabehandlung“ werde ich ein Kapitel den konkreten Hinweisen zum Ausstieg aus Täterzusammenhängen und dem psychotherapeutischen Verändern, Entwirren und „Löschen“ von durch systematischen Terror „eingepflanzten Programmbotschaften“ widmen.
Nachwort und Ausblick
„Wenn wir Amerikaner heutzutage in die Welt hinausgehen, um Menschen auszulöschen, die sich im Recht fühlen, dann werden immer noch ihre Kinder da sein ... Manchmal denke ich, es müssten Menschen sein, die sich an den Zweiten Weltkrieg und an den Holocaust erinnern, die uns aus dieser Sackgasse herausführen können. Menschen, die das Extrem, das Inferno, gesehen haben. Dann wieder scheint mir, dass jeder vernünftige Mensch einsehen muss, dass Gewalt die Welt nicht ändert ... Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass wir von der Moderne weiter entfernt sind als je zuvor.“
– Martin Scorsese, 2003
Vielleicht braucht es als Amerikaner heutzutage einen Hollywood-Regisseur, um simple, aber wichtige Wahrheiten auszusprechen. Auch wenn dieser natürlich ein besonderer ist: Scorsese ist in New Yorks „Little Italy“ groß geworden. Er kennt kleine, sehr kleine Verhältnisse. Und manche seiner besten Freunde waren bei der Mafia, von der er selbst sich nicht nur stets fernhielt, sondern die er auch in seinen Filmen entlarvend porträtierte (z. B. in „Goodfellas“).
Hier sind Sie nun beim Nachwort dieses Buches angekommen. Wie mag es Ihnen unterwegs ergangen sein? So, wie Sie in diesem Buch an vielen Stellen die Autorin erkennen können – nicht unbedingt immer in den schmeichelhaftesten Situationen, oft durchaus ratlos, ohnmächtig, verzweifelt oder auch wütend –, so hatte ich Sie im Blick, als ich schrieb.
Auch ein Buch ist eine Möglichkeit der Begegnung, wenn auch noch so indirekt.
Vielleicht hat es Sie gewundert, möglicherweise sogar manchmal gestört, dass ich das Prinzip der „neutralen Berichterstattung“ (die ja tatsächlich niemals neutral ist, sondern oft nur so tut) gelegentlich bewusst verlassen habe. Und doch habe ich versucht, Sie vertraut zu machen mit hunderten von Forschungsergebnissen und mit der Essenz von Abertausenden von Therapiestunden, meinen und denen von KollegInnen, die mit Traumaüberlebenden arbeiten. Unumwunden gebe ich zu, dass ich versuche, Sie von manchem zu überzeugen, während ich vor anderem warne.
Lassen Sie mich zum Schluss auflösen, warum ich diese persönliche Erkennbarkeit gewählt habe: Weil ich möchte, dass Betroffene dieses Buch auch so lesen können, dass es sie ermutigt. Und weil meiner Erfahrung nach nur so überhaupt ein Kontakt von Nicht-Betroffenen zu den früh und langjährig traumatisierten Menschen möglich ist: Wir Helferinnen müssen uns um eine Begegnung bemühen und uns selbst dabei zeigen.
Eine Freundin hat mir einmal erzählt, wie sie im Tierheim einen riesigen, höchst aggressiven und scheuen Hund unter der Bank hervorlocken konnte, unter der er sich verkrochen hatte: Sie traute sich in den Käfig und blieb viele Stunden auf der Bank sitzen, reglos. Anfangs knurrte der Hund, zog sich immer weiter unter die Bank zurück; und meine Freundin wurde gewarnt, der Hund könne sie anfallen. Doch sie blieb einfach sitzen. Einen Arm ließ sie nach unten baumeln, die Hand nach hinten geöffnet, sodass der Hund ihren Duft auch aus der Entfernung aufnehmen konnte. Kurz bevor das Tierheim schließen wollte, spürte meine Freundin eine feuchte Nase, die ihre Hand berührte ...
Ein männlicher Vorbesitzer hatte den Hund halb tot geschlagen. Deshalb war er so extrem scheu. Doch obwohl er hinkte und (vor allem natürlich gegen Männer) aggressiv war, wurde er durch die geduldige Kontaktaufnahme meiner Freundin vor dem Einschläfern bewahrt; sie konnte ihn noch einige Jahre begleiten (oder er sie), und ich durfte
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