Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
ihrem Alltagsbewusstsein und sagt: „Da sind Sie falsch verbunden“ und glaubt das auch. Doch ihr wird dann „schwummerig“, es wird ihr wie schwarz von den Augen, in ihrem Innern beginnt es zu brodeln, und wenn „Leila“ darauf geeicht wurde, Kontakt mit den Tätern aufzunehmen oder zu halten, wird dieses Programm dann ausgeführt.
Anderes Beispiel: Während ritueller Misshandlungen kann ein „Programm-Name“ sofort das gewünschte Verhalten – etwa lächelnd um Sex betteln – auslösen.
Wie sich in Sicherheit bringen?
Meist geht es vor allem darum, den Kontakt zu den Tätern abzubrechen, damit diese keine direkte Einwirkungsmöglichkeit mehr haben. Dies ist ein langer Weg. Die Drohungen von Tätern verunsichern auch TherapeutInnen und BegleiterInnen. Natürlich tun die Täter viel, um die Versuche zu unterbinden, das Opfer in Sicherheit zu bringen. Dabei richten sie sich jedoch nach ihrer üblichen Art, Macht und Kontrolle auszuüben. Einen starken Gegner, der u. U. sofort die Polizei ruft, werden sie nicht konfrontieren. Meistens versuchen sie über das Opfer den Druck auszuüben. Etwa indem sie es auf ihre manipulative Weise mit Drohungen, Triggern, Nennen der Namen der „Programm-Personen“ etc. dazu bringen wollen, wieder zu ihnen zu kommen oder ihnen den Zugang zu ihnen wieder zu ermöglichen.
Wie werden Helferinnen bedroht?
Viele Professionelle fürchten, die Täter würden ihnen dasselbe antun wie den Opfern. Dies ist jedoch in der Regel nicht so, denn das Risiko – die HelferIn könnte sich wehren, die Polizei oder Zeugen könnten hinzukommen etc. – ist den Tätern aus dem Bereich organisierte Kriminalität zu groß. Daher greifen sie zu den Methoden, die in aller Heimlichkeit dennoch einen gewissen Schrecken verbreiten können: Sie belästigen die Helferin mit Droh- oder anonymen Anrufen, legen ihnen tote Tiere oder Teile davon vor die Tür, versuchen sie zu kompromittieren (lancieren negative Gerüchte, rufen die Steuerfahndung an etc.). Offene, direkte Bedrohungen kommen äußerst selten vor, und es gilt hier, sich nicht von den „geheimnisvollen“ Drohungen abschrecken zu lassen.
Mein Tipp: Gut mit Behörden zusammenarbeiten, breites Netz an Helferinnen bilden; keine Geheimnisse bewahren, es sei denn diejenigen, die unmittelbar an die Schweigepflicht gebunden sind; bei auch nur andeutungsweisen Bedrohungen sofort ankündigen, dass man die Polizei ruft, und es im Zweifelsfall auch tun.
Gayle Woodsum hat einmal in all den Jahren, in denen sie vielen Hundert Kultaussteigern half, erlebt, dass an ihr Bürogebäude „666“ geschmiert wurde, sie hat ein paar fiese Karten und Briefe bekommen; einmal ist ihr Auto vor dem Büro beschädigt worden; einmal tauchte eine beeindruckend „kultmäßig“ angezogene Gestalt während einer ihrer öffentlichen Veranstaltungen auf. Das war’s.
Sicherheit für die Opfer/Überlebenden
Meistens schaffen sie es nur auszusteigen, wenn ihnen ein Netz von Leuten dabei hilft. Eines jedenfalls ist sicher: Ohne einen eigenen und vollständigen Prozess der Befreiung aus der Macht der Täter werden sich die Misshandlungen beliebig oft wiederholen – beliebig aus der Sicht der Täter. Die Opfer werden dann auch als Erwachsene denselben Misshandlungen ausgesetzt sein wie als Kinder.
Sie brauchen dazu nicht einmal gekidnappt zu werden – es genügt ein Telefonanruf, ein bestimmtes Geräusch draußen in der Nacht, um wie somnambul aufzustehen, sich anzuziehen, vor die Tür zu gehen und in ein Täter-Auto zu steigen ...
Erst wenn die Überlebende von ritueller oder Kultmisshandlung ihre Situation wirklich begreift, keinen Kontakt mit jemandem hat, der/die mit ihrer Misshandlungsgeschichte unmittelbar zu tun hat(te), für die Täter nicht mehr zugänglich ist, in einem Umfeld lebt, das nichts mehr mit der Misshandlung zu tun hat und von allen Misshandlungs-Programmen „unplugged“ ist oder zumindest mit den restlichen umgehen kann, gibt es keine unmittelbare Gefahr der Reviktimisierung mehr.
Umgekehrt: Wenn ein Opfer dauernd weiter misshandelt wird, kann keine Aufarbeitung im Sinne von Traumabehandlung stattfinden. Wenn Überlebende ritueller Gewalt jahrelang mit stets wieder akuten und lebensbedrohlichen Krisen leben, ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie weiterhin misshandelt werden oder zumindest „unter Kuratel“ der Täter stehen. Jede Traumabearbeitung ist dann eine Sisyphusarbeit, meist bringt sie wenig bis nichts.
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