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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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ich mich vor dem Empfang wieder etwas zurechtmachen konnte. Ich würde darauf bestehen!
    Ich blickte auf meine Uhr; wir fuhren nun schon seit zwei Stunden durch die Wüste. Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals so verschwitzt und unbehaglich gefühlt zu haben. Mein Fahrer blieb stumm und summte nur gelegentlich ein paar Takte vor sich hin. Plötzlich dämmerte es mir: Er hatte sich überhaupt nicht vorgestellt. Vielleicht saß ich ja gar nicht im richtigen Auto! Aber das war dumm. Ich konnte im Moment nicht aussteigen, und er schien keine Bedenken zu haben, daß ich der richtige Passagier war.
    Vier Stunden später fuhren wir auf eine verrostete Wellblechhütte zu. Draußen war ein kleines, schwelendes Feuer zu sehen. Als wir uns näherten, erhoben sich zwei Aborigine-Frauen. Sie waren beide mittelalt, klein und nur spärlich bekleidet. Als Zeichen des Willkommens lächelten sie mir warmherzig zu. Die eine trug ein Band im Haar, das die dicken Locken in eigenartigen Winkeln von ihrem Kopf abstehen ließ. Beide wirkten schlank und durchtrainiert, und aus ihren runden Gesichtern blickten mich strahlende braune Augen an. Als ich aus dem Jeep kletterte, sagte mein Fahrer: »Ich bin hier übrigens der einzige, der Englisch spricht. Ich werde dein Übersetzer und Freund sein.«
    »Na, wunderbar!« dachte ich. »Um diese australischen Ureinwohner kennenzulernen, hast du siebenhundert Dollar für einen Flug, ein Hotelzimmer und neue Kleidung ausgegeben, und jetzt können sie noch nicht einmal Englisch, von Modebewußtsein ganz zu schweigen.« Aber da ich nun schon einmal hier war, konnte ich auch genausogut versuchen, mich anzupassen, obwohl ich tief in meinem Herzen wußte, daß es mir nicht gelingen würde.
    Die Frauen stießen rauhe, fremdartige Geräusche aus, die nicht wie Sätze klangen, sondern höchstens wie einzelne Wörter. Mein Übersetzer wandte sich mir zu und erklärte, daß ich erst gereinigt werden müsse, um an der Versammlung teilnehmen zu dürfen. Mir war nicht klar, was er damit meinte. Natürlich war ich mit mehreren Schichten Staub bedeckt und von der Fahrt verschwitzt, aber darauf schien er nicht anzuspielen. Er überreichte mir ein Stoffbündel. Als ich es öffnete, entpuppte es sich als eine Art Lumpen-Wickelkleid. Sie wiesen mich an, meine Kleider abzulegen und es anzuziehen.
    »Wie bitte?« fragte ich ungläubig. »Ist das Ihr Ernst?« Unnachgiebig wiederholte er seine Anweisungen.
    Ich sah mich nach einem geeigneten Ort zum Umkleiden um, aber es gab keinen. Was sollte ich machen? Ich war von zu weit hergekommen und hatte bereits zu viele Unannehmlichkeiten über mich ergehen lassen, um mich zu weigern. Der junge Mann entfernte sich.
    »Ach, was soll's. Wenigstens wird mir darin kühler sein als in meinem Kostüm«, dachte ich. So diskret wie möglich legte ich meine verdreckten, gerade neu erworbenen Kleider ab, faltete sie ordentlich zusammen und zog dann das Ureinwohnergewand an. Ich stapelte meine Sachen auf einen großen Stein, der vorher den wartenden Frauen als Stuhl gedient hatte. In dem farblosen Fetzen kam ich mir recht dumm vor und bedauerte es, daß ich so viel Geld in ein Kostüm investiert hatte, um damit »Eindruck schinden« zu können.
    Der junge Mann kam zurück. Auch er hatte sich umgezogen und stand jetzt fast nackt vor mir - er trug lediglich ein Stoffstück, das er wie eine Art Badehose um sich gewickelt hatte. Wie die beiden Frauen am Feuer ging er barfuß. Er instruierte mich, daß ich alles abzulegen hatte: Schuhe, Strumpfhose, Unterwäsche und sämtlichen Schmuck, sogar die Klämmerchen, mit denen ich mir das Haar hochgesteckt hatte. Langsam war es mit meiner Neugier vorbei, und ich fühlte mich immer unbehaglicher. Aber ich tat, was man mir sagte. Ich erinnere mich, daß ich meinen Schmuck in die Spitze eines Schuhs stopfte. Und ich tat etwas, was jede Frau automatisch zu tun scheint, obwohl es uns sicher niemand so beigebracht hat: Ich nahm meine Unterwäsche und legte sie in die Mitte des Kleiderhaufens.
    Eine dicke graue Rauchwolke stieg aus den schwelenden Kohlen auf, als sie jetzt frisches grünes Buschwerk auf die Feuerstelle warfen. Die Frau mit dem Stirnband nahm einen Gegenstand, der aussah wie der Flügel eines großen schwarzen Raubvogels, und breitete ihn wie einen Fächer aus. Sie stellte sich vor mich und fächelte mir vom Kopf bis zu den Füßen zu.
    Der Rauch wirbelte um mich herum und nahm mir fast die Luft. Als nächstes bewegte sie ihren

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