010 - Botschafter von den Sternen
Vergangenheit – Phönix
Der Sonnenuntergang schien den Himmel mit Feuer zu übergießen. Blutrot sank der Feuerball hinter den Horizont und das flammende Rot verlieh dem Gesicht des Fremden ein noch geheimnisvolleres Aussehen.
Fast eine Minute lang vermochte William Nolan nichts anderes zu tun, als den Mann anzustarren, der so überraschend und scheinbar aus dem Nichts heraus hinter ihm erschienen war.
Der Fremde überragte ihn um fast einen Kopf. Er war humanoid, aber dennoch handelte es sich weder um einen Menschen, noch um einen Bewohner des Planeten Phönix. Die Wangen in seinem scharf geschnittenen Gesicht waren eingefallen und verliehen ihm einen asketischen Zug. Seine Haut war bleich wie die eines Toten und stand in Kontrast zu seinem schwarzen Haar. Es war auf eine Länge von kaum einem Zentimeter geschoren und reichte wie die Spitze eines Pfeiles weit in die Stirn, fast bis zur Nasenwurzel.
Gekleidet war der Fremde in einen hautengen, schwarzen Dress, unter dem sich ein muskulöser Körper abzeichnete. Über dem Dress trug er einen fast bis zum Boden reichenden silbernen Umhang, der um die Schultern von einer ebenfalls silbernen, mit seltsamen Symbolen verzierten Spange gehalten wurde. Als ein Windstoß das Cape aufblähte, konnte William Nolan erkennen, dass es von innen violett war.
Das Faszinierendste an dem Unbekannten aber waren die schmalen, mandelförmigen Augen. Sie waren leicht schräg gestellt. Die Iris funkelte golden und die Pupillen waren wie lichtschluckende Schächte, die unmittelbar in die Unendlichkeit zu reichen schienen. Die Weisheit von Jahrtausenden spiegelte sich darin wider, aber das musste eine Einbildung sein, denn obwohl es schwer fiel, das Alter des Mannes zu schätzen, glaubte Nolan nicht, dass es mehr als 25 oder 30 Jahre betrug. Verwirrt wandte er den Blick ab.
»Wer … wer seid Ihr?«, fragte er, instinktiv die ehrenvolle Anrede wählend, die am feudalistischen Fürstenhof von Xarith benutzt wurde.
Ein spöttisches Lächeln umspielte das Gesicht des Fremden. »Man nennt mich Xybrass«, entgegnete er mit dunkler, wohlklingender Stimme. Zur Überraschung des Wissenschaftlers sprach der Mann englisch, ohne einen Translator zu benutzen. Zumindest drang die Stimme aus seinem Mund.
William Nolan blickte hinüber zu den Flugscheiben der Beherrscher des Transmitter-Netzes, die vor den Festungsmauern aufmarschiert waren. »Wenn das Kyphorer wären, gäbe es diese Festung bereits nicht mehr!«, klangen noch einmal die ersten Worte des Unbekannten in ihm wider.
»Ihr gehört zu diesen Wesen?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte. Auch wenn der Fremde den Angreifern, die Nolan bislang für Kyphorer gehalten hatte, ähnlich sah, umgab ihn doch etwas wie eine unsichtbare, nur gefühlsmäßig wahrnehmbare Aura, die ihn von ihnen unterschied.
Zur Bestätigung schüttelte Xybrass den Kopf. »Wie ich schon sagte, es sind keine Kyphorer, sondern Craahls, eine einfache Hilfsrasse. Aber ich habe nichts mit ihnen zu tun. – Im Gegenteil«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu.
»Bei allen Göttern, von was sprecht Ihr eigentlich?«, mischte sich Resnar, der neben Nolan stand, ein. Der so unscheinbar wirkende alte Mann in dem schreiend bunten Gewand war der mächtigste Magier von Xarith.
Xybrass musterte ihn kurz. Sein Blick war wie der eines Erwachsenen, der ein aufdringliches, lästiges Kind anblickt. »Schlaf!«, befahl er wie beiläufig. Für einen Sekundenbruchteil verengten sich seine Augenlider zu schmalen Schlitzen.
Im gleichen Moment erstarrte Resnar. Es war, als wäre er mitten in der Bewegung eingefroren. In ungläubigem Staunen pendelte Nolans Blick zwischen Resnar und dem Fremden hin und her.
»Was war das?«, fragte er mit belegter Stimme. »Ist er … tot?«
»Tot? Nein, er wird aufwachen und sich an nichts mehr erinnern, sobald ich es ihm befehle. Er braucht unser Gespräch nicht mit anzuhören. Da wir nun allein sind, können wir die Förmlichkeiten beiseite lassen. Du stammst aus der Zukunft, nicht wahr?«
Obwohl es eine Feststellung und keine Frage war, nickte Nolan. Er begriff nicht, was mit ihm geschah.
»Es ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, euch Menschen die Wahrheit zu sagen – die Wahrheit über das, was ihr Äthermorph nennt. Eines Tages werdet ihr erfahren, dass dieses Äthermorph eine Art … Eigenleben besitzt. Das Äthermorph oder der Hyperraum, wie manche es auch nennen, oder Nullraum … Wie auch immer: Es … denkt! Mehr
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