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Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Titel: Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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dann jedoch das saubere Hemd an, während er sich sagte, dass er weder das Licht noch die Zeit hatte, die Wunde zu untersuchen. Cunshers Stiefel behielt er, versorgte sich jedoch mit einem Taschentuch, Handschuhen und einer schmalen Brille mit dunklen Gläsern. Die Schutzbrille war ein Gottesgeschenk gewesen, aber er konnte nicht damit kämpfen – sein Sichtfeld war zu begrenzt.
    Er kniete sich vor seinen ramponierten Schreibtisch, zog die unterste Schublade aus ihrem Fach – ein Klimpern von Taschenuhren, Messern, ausländischen Münzen und zerfledderten Notizheften – und stellte sie beiseite, nahm jedoch ein Rasiermesser mit Ebenholzgriff an sich und ließ es in die Hemdtasche fallen. Er griff in die Öffnung, Gesicht und Schulter an den Schubladenkasten gepresst. Seine Finger fanden einen Haken, und ein eingelassenes Holzkästchen sprang heraus. Darin lagen drei Banknoten, die wie Zigaretten fest zusammengerollt waren. Er steckte sie nacheinander zu dem Rasiermesser, als würde er einen Karabiner laden, und wandte sich wieder dem Kästchen zu. Unter den Geldscheinen lag ein Eisenschlüssel. Chang steckte ihn in die Tasche, schob das leere Kästchen wieder in seinen Hohlraum und die Schublade zurück in den Schreibtisch.
    Er zwängte sich erneut in Foisons schwarzen Mantel. Er war wärmer, als er aussah, und immerhin war er eine Trophäe.
    Das Babylon lag am Rand des Theaterviertels, in der Nähe diverser berüchtigter Hotels – keine Überraschung angesichts der Tatsache, dass sein Repertoire weniger aus wiedererkennbaren Stücken bestand, sondern eher aus »historischem« Pomp, wobei die Exaktheit proportional zur Gewagtheit der Kostüme abnahm. Die einzige Darbietung, die er gesehen hatte – während der Verfolgung eines jungen Grafen, den sein frisch erworbener Titel naiverweise dazu veranlasst hatte, alte Schulden nicht zu begleichen –, Schiffbrüchig auf den Bermudas , zeigte Wind- und Wassergeister, stramme Seeleute und wohlgeformte Einheimische, gehüllt in Blätter, die angesichts des Unfugs, den genannte Geister trieben, häufig herunterfielen. Wie es sich für eine Institution gehörte, die sich auf so raffinierte Weise der Phantasie widmete, gestattete das Babylon keine Bewunderer am Bühneneingang – eine Gasse, wo es kein Geld zu verdienen gab. Stattdessen verließen die Darsteller das Theater durch einen Verbindungsgang zum benachbarten St. Eustace Hotel, wo es nur einen Steinwurf entfernt sowohl Champagner als auch behagliche Räumlichkeiten gab, wovon die Eigentümer des Babylon einen Anteil verlangten.
    Die Hintertür hatte die Aufmerksamkeit von mindestens einem verschwiegenen und schlauen Mann angezogen. Kardinal Chang erreichte sie unbemerkt und öffnete das Schloss mit seinem wiedererlangten Dietrich, entschlossen, Pfaff auch nur bei der kleinsten Provokation die Kehle durchzuschneiden.
    Es war sogar für den Zirkusakt des Vorhangöffnens noch zu früh, jedoch würden sich bald hinter der Bühne Helfer (häufig Seeleute, die sich mit Seilen auskannten und in der Höhe wohlfühlten) und Schauspieler drängen, die sich auf ihren Auftritt vorbereiteten. Chang fand dergleichen Unterhaltung furchtbar. Gab es nicht schon genug Verstellung und ungesittetes Gekreisch auf der Welt – warum sollte sich jemand nach noch mehr sehnen? Niemand in Changs Bekanntenkreis teilte seine Abneigung. Ohne darüber sprechen zu müssen, wusste Chang, dass Doktor Svenson das Theater sehr bewunderte – vielleicht sogar die Oper. Nicht dass das für Chang einen Unterschied machte: Je ernster eine Sache von ihren Bewunderern genommen wurde, desto alberner war sie zweifellos.
    Der Mann, auf dessen Spur er war, liebte das Theater mehr als alles andere. Chang fand eine Holzleiter, die an der Wand ver schraubt war und an bemalten Flächen und herabhängendem Samt vorbei zu einem schmalen Steg führte. Jack Pfaff bewunderte Schönheit, verfügte jedoch nicht über das Geld, um sich zu den gaffenden Dummköpfen im St. Eustache zu gesellen. Daher blieb ihm bloß die Rolle eines hungrigen Geistes in der Dunkelheit. Hinter dem Steg war ein weiteres Schloss, und wenn er es öffnete, wäre jede Art von Hoffnung auf eine Überraschung zunichte. Aber Chang brauchte keine Überraschung. Er drehte den Schlüssel um und betrat Jack Pfaffs Dachkammer.
    Mr. Pfaff war nicht zu Hause. Chang entzündete eine Kerze neben dem durchhängenden Bett: abblätternde Wände, leere braune Flaschen, ein verschimmelter, rattenzernagter Laib

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