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Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Titel: Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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Sobald der Zug hält, steigen wir hinten aus. Folgen Sie mir. Wir überqueren die Gleise und verlassen unbemerkt den Bahnhof.«
    Sie warteten am Ende des Zugs. Miss Temples Augen waren gerötet. Chang blickte auf ihre rechte Hand und sah, dass die Fingerspitzen verfärbt waren, als habe sie Zeitung gelesen. Auf ihrem Kragen befand sich ein schwarzer Fleck.
    Die Bremsen des Zugs kreischten, Miss Temple taumelte und wurde von Doktor Svenson festgehalten. Chang spähte durch ein Abteilfenster. Ein Trupp Braunmäntel, Schlagstöcke schwingende Schutzmänner, verließ im Laufschritt einen Bahnsteig. Überall in Stropping trieben ähnliche Gesetzeshüter Reisende in Gruppen zusammen und führten sie wie Verbrecher durch den Bahnhof ab.
    »Öffnen Sie die Tür! Wir halten gleich!«
    Cunsher, der sich an der Spitze befand, rief zurück: »Sie ist verriegelt!«
    Chang drängte in den Gang. »Auftreten! Der Bahnhof ist voller Polizisten!«
    »Polizisten?«, rief Phelps. »Aber warum?«
    Chang schob sich neben Cunsher, der mit seinen Tritten nichts ausrichtete. Der Zug gab das Zischen eines erschöpften Drachens von sich. Trillerpfeifen durchschnitten die Luft. Svenson schob sie von der Tür weg, zückte den Navy Revolver und gab drei Schüsse direkt auf das Sicherungsblech ab. Chang trat erneut zu, und die Tür flog auf. Er sprang auf den Schotter und drehte sich zu Miss Temple um. Ein Schutzmann rief ihnen zu, sie sollten stehen bleiben. Chang ließ die anderen nachkommen und rannte los, Miss Temples Hand fest in seiner, direkt auf den nächsten Zug zu.
    »Unten durch! Unten durch!«, rief er und warf sich als Erster nach vorn. Die Steine stachen ihn in Knie und Ellbogen, aber Chang wälzte sich auf der anderen Seite wieder heraus. Er packte Miss Temple an den Schultern, als ihr Kopf auftauchte, und sie waren wieder auf den Füßen und drängten zum nächsten Zug. Miss Temple hatte ihr Kleid gerafft (die Unterarmtasche ragte aus ihrem Strumpfhalter hervor), und ihre gesamte Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, nicht zu stürzen.
    Unter dem nächsten Zug blickte Chang schließlich zurück: keine Polizei in Sicht. Er seufzte erleichtert. Wenn sie speziell auf der Suche nach ihnen gewesen waren, würden die Schutzmänner nicht so leicht aufgeben. Ausgehend von der Zahl der Polizisten, die über den Bahnhof verteilt war, nahm er an, dass ihre Befehle sich darauf beschränkten, Reisende im Allgemeinen in Schach zu halten – und jemanden zu verfolgen, hätte bedeutet, andere Reisende ohne oder mit kleiner Eskorte zurückzulassen. Abgesehen davon würden die gestressten Gesetzeshüter, die nicht über Changs Kenntnisse noch der hintersten Winkel von Stropping verfügten, annehmen, dass irgendwelche Flüchtlinge früher oder später zu ihrer Absperrung zurückkehren mussten, was ihre Gefangennahme erleichterte.
    Svenson glitt rußbedeckt unter dem letzten Zug hervor.
    »Sie hatten recht, als Sie von Unruhen sprachen«, sagte Chang.
    »Entzückend, nicht wahr?«, keuchte Phelps direkt hinter dem Doktor.
    »Wer kann solche Maßnahmen anordnen?«,
    »Alle möglichen Vollidioten«, antwortete Phelps grimmig. »Soll heißen, der Kronrat.«
    Cunsher tauchte hinter Phelps auf und hielt beim Kriechen seinen Hut fest. Chang nahm Miss Temples Hand, stolz darauf, wie gut sie das bewerkstelligt hatte. Trotz ihres Ausbruchs im Zug war sie noch immer die gleiche Celeste Temple, die im Luftschiff nicht den Kopf verloren hatte.
    »Da entlang. Da ist eine Leiter.«
    Der Seitenausgang von den Gleisen aus zur Helliott Steet hatte sich immer wie Changs Privatbesitz angefühlt. Er hatte ihn auf einer vom Royal Engineering vor Jahren entwendeten Übersicht entdeckt und sparsam genutzt. Als er jetzt jedoch die Metalltreppe erklomm, trafen seine Stiefel auf Zeitungspapier, zerknüllten Stoff und sogar leere Flaschen. Miss Temple befreite ihre Hand, um sich Nase und Mund zuzuhalten.
    »Wird Ihnen nicht übel? Der Gestank ist schrecklich!«
    Changs Geruchssinn existierte kaum noch, doch als er nach oben spähte, erkannte er eine zusammengekauerte Gestalt, die den Weg versperrte. Er kletterte weiter und stieß mit der Fußspitze den zerlumpten Haufen an. Es war ein Mensch: klein, alt und mindestens seit einer Woche tot.
    »Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, rief er hinter sich und sagte dann zu Miss Temple: »Ich würde mein Kleid nicht loslassen.«
    Zwei weitere Leichen waren wie Getreidesäcke oben auf der Treppe an die Stahltür gelehnt – Frauen, eine

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