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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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durch eine schmale Gasse bis zum Hinterausgang des Chan Chan Room. Durch die eiserne Feuertür drang rhythmisch stampfende Musik. Wenige Minuten später flog die Tür auf, und Detective Krause schubste einen dünnen Puerto-Ricaner auf den Asphalt. Der immer noch fröhlich lächelnde Detective Mitchell schlenderte auf den Mann zu und trat ihm in den Bauch.
    »Meine Herren, dürfen wir Ihnen Pius Romero vorstellen? Er saß in der VIP-Lounge und trank gerade was Fruchtiges mit einem kleinen Schirmchen drin. Also, das ist doch wirklich ungerecht, oder? Krause und ich, Diener der öffentlichen Sicherheit, wurden noch nie in die VIP-Lounge eingeladen.«
    Pius Romero krümmte sich auf dem Asphalt und rang nach Luft. Boone zog den schwarzen Lederhandschuh über. Er starrte den jungen Mann geistesabwesend an, wie einen leeren Pappkarton. »Hören Sie genau zu, Pius. Wir sind nicht hier, um Sie festzunehmen. Wir brauchen lediglich ein paar Informationen. Wenn Sie uns in nur einem einzigen Punkt belügen, werden meine Freunde Sie ausfindig machen und Ihnen große Schmerzen zufügen. Ist das klar? Machen Sie ein Zeichen, wenn Sie verstanden haben.«

    Pius setzte sich auf und tastete nach seinem aufgeschrammten Ellbogen. »Ich habe nichts Verbotenes getan.«
    »Wer versorgt Sie mit 3B3?«
    Der Name ließ den jungen Mann ein wenig gerader sitzen.
    »Nie von gehört.«
    »Sie haben den Stoff mehreren Leuten verkauft. Von wem kriegen Sie ihn?«
    Pius kam mühsam auf die Beine und versuchte zu flüchten, aber Boone fing ihn ab. Er schubste den Dealer gegen eine Wand und begann, mit der rechten Hand auf ihn einzuprügeln. Der Lederhandschuh machte bei jedem Schlag in Romeros Gesicht ein klatschendes Geräusch. Romero blutete aus Nase und Mund.
    Dr. Richardson verstand, dass diese Gewalt real war – sehr real –, doch er fühlte sich der Situation seltsam entfremdet. Es war, als hätte er einen Schritt zurück gemacht, als würde er einen Film im Fernsehen verfolgen. Während die Schlägerei weiterging, sah er zu den Detectives. Mitchell lächelte, und Krause nickte wie ein Basketballfan, der soeben einen perfekten Drei-Punkte-Wurf gesehen hatte.
    Boones Stimme klang ruhig und vernünftig. »Ich habe Ihnen die Nase gebrochen, Pius. Jetzt werde ich ein bisschen höher zuschlagen, um die Nasenmuscheln unterhalb Ihrer Augen zu zerquetschen. Diese Knochen heilen nie. Nicht wie ein Arm oder ein Bein. Sie werden den Rest Ihres Lebens mit Schmerzen leben müssen.«
    Pius Romero hob wie ein Kind die Hände. »Was wollen Sie?«, wimmerte er. »Namen? Ich sag Ihnen die Namen. Ich sag Ihnen alles …«
     
    Gegen zwei Uhr morgens hatten sie die Adresse in Jamaica, Queens, gefunden; der Flughafen JFK war nicht weit. Der Mann, der 3B3 herstellte, wohnte in einem Haus mit weißen Schindeln. Die Klappstühle aus Aluminium waren auf der
Veranda festgekettet. Sie befanden sich in einer ruhigen Arbeitergegend, wo die Leute die Bürgersteige fegten und auf dem Rasen ihrer winzigen Vorgärten Zementfiguren der Heiligen Jungfrau Maria aufstellten. Boone parkte den Geländewagen und forderte Richardson auf auszusteigen. Gemeinsam gingen sie zum Auto der Detectives.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Mitchell.
    »Sie bleiben hier. Dr. Richardson und ich werden reingehen. Falls es Ärger gibt, rufe ich Sie über mein Handy an.«
    Das Distanzgefühl, das Richardson noch geschützt hatte, als Boone auf Pius Romero einschlug, hatte sich auf der Fahrt nach Queens verflüchtigt. Der Neurologe war müde und verängstigt. Er wollte vor den drei Männern weglaufen, doch er wusste, dass das nichts nützen würde. Vor Kälte zitternd folgte er Boone über die Straße. »Was werden wir tun?«, fragte er.
    Boone stand auf dem Bürgersteig und blickte zu einem erleuchteten Fenster im zweiten Stock hinauf. »Ich weiß es noch nicht. Zunächst muss ich mir ein genaueres Bild von unserem Problem machen.«
    »Ich kann Gewalt nicht ausstehen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Sie haben den jungen Mann vorhin beinahe umgebracht.«
    »Ich war weit davon entfernt.« Wenn Boone sprach, stieg sein Atem als weißer Dampf in die Luft. »Sie sollten sich mit Geschichte beschäftigen, Doktor. Alle großen Veränderungen gehen mit Schmerz und Zerstörung einher.«
    Die beiden Männer liefen über die Einfahrt bis zur Hintertür des Hauses. Boone stieg auf die Veranda und berührte den Türrahmen mit den Fingerspitzen. Dann machte er einen Schritt zurück und trat oberhalb des Türknaufs zu.

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