Lukas und die gestohlene Weihnacht
Kapitel 1
„Das könnt ihr knicken, ich bleib da! Soll Weihnachten von mir aus ausfallen!“ Lukas verschränkte seine Arme vor sich.
Sein Vater Stefan sagte nur: „Nichts da, wir sind eine Familie und ihr Beiden kommt mit. Basta!“ Beim Wort Basta zielte er mit seinem rechten Zeigefinger erst auf Rebecca und dann auf Lukas. Rebekka zischte: „Ich bin 13, komm schon, Daddy! Wenn ich den Weihnachtsmarkt sehe, wird mir schlecht! Ihr wisst, was ich davon halte! Außerdem verpass ich meine Lieblingsserie!“ Lukas gab seiner Schwester einen Klaps gegen die Stirn und rief: „Klar, Vampire, die fliegen können, sind natürlich realistischer als der Weihnachtsmann! Paps, wenn ich muss, muss Rebekka auch !“ Da fauchte Marie, ihre Mutter: „Schluss jetzt! Ihr kommt beide mit und hört auf zu streiten, sonst gehen wir anschließend noch zusammen in die Kirche.“
Das saß. In die Kirche wollten heute Abend weder Papa noch Lukas oder gar Rebekka. Selbst Mama, die diese Drohung aussprach, hoffte, dass sie heute alleine in die Kirche konnte, so wie sie das vor hatte. Mit Stefan und den Kindern machte es ihr einfach keinen Spaß. Die drei würden ohnehin nur abwechselnd auf ihre Uhren schauen, um zu sehen, wann sie endlich nach Hause konnten. Papa beschwichtigte: „Ihr werdet sehen, im Nu sind wir wieder zurück, höchstens in einer Stunde. Dann kannst du, Rebekka, immer noch deine Fernsehserie mit den Werwölfen sehen. Und Lukas, du könntest mir helfen, die Weihnachtsdekoration aus dem Keller zu holen. Hast du Lust?“ Rebekka murrte: „War ja klar, dass wir dazu gezwungen werden. Außerdem sind es Vampire und keine Werwölfe, Papa.“
Als seine Schwester ihren Widerstand aufgegeben hatte, gab Lukas nach. „Na gut, aber ich darf nachher aussuchen, welchen Weihnachtsschmuck wir hochholen. Wahrscheinlich wird das heute eh nichts mehr, weil wir doch wieder 3 Stunden brauchen, bis wir wieder nach Hause fahren. Aber okay.“
Stefan sah Maria an und verzog seinen linken Mundwinkel. Ertappt. Die Kinder hatten ja Recht. Besonders Maria blieb jedes Jahr an wirklich jedem Weihnachtsmarktstand stehen und betrachtete sich alles ganz genau, so als ob es nicht reichen würde, das Meiste im Vorbeischlendern zu betrachten und nur dann, aber wirklich nur dann länger stehen zu bleiben, wenn man etwas sah, das einen wirklich interessierte.
Aber es lag Maria so sehr am Herzen, jedes Jahr mit der ganzen Familie auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Stefan unterstützte sie darin, obwohl er ihre Liebe zu Weihnachtsmärkten und dem ganzen Adventsbrimborium nur zu einem Bruchteil teilen konnte. Weihnachtsmärkte waren ja schön und gut. Würden sie einfach nur dem Chor lauschen, er könnte einen (oder zwei) Glühwein trinken, die Kinder bekämen eine Bratwurst und nach einer Stunde wäre der Spuk vorbei und sie würden nach Hause fahren. Doch seine Frau Maria brachte es jedes Jahr fertig, stundenlang über den Markt zu schlendern. Er und die Kinder schlappten mehr oder weniger wie ein Anhängsel hinterher. Maria wusste, dass Stefan das nur für sie einging und war ihm dankbar dafür.
Lukas teilte die Meinung seines Vaters: Es wäre okay, aber nicht über mehrere Stunden. Papa pfiff sich dann zwei oder drei Glühwein rein, dann war er jedes Mal betütelt und es schien ihm nichts mehr auszumachen. Am liebsten wäre Lukas, er bekäme ein paar Euro in die Hand gedrückt, so dass er sich kaufen konnte was er will. Er bekam jedes Jahr einen einzigen Kinderpunsch. Das war ungerecht! Glühwein mochte er zwar sowieso nicht, aber einen zweiten Kinderpunsch hätte er schon gerne. Zuviel davon ist ungesund , sagte Mama immer. Erwachsen müsste man sein, da ist es scheinbar egal, wie ungesund etwas war. Die Stimmung auf dem Weihnachtsmarkt hingegen, die mochte Lukas gerne: die vielen kleinen Lichtlein, die leckeren Gerüche und die vertrauten Klänge und allzu bekannten Weihnachtslieder. Rebekka war da anders. Zumindest seit vorletztem Jahr.
Wie seine Schwester Rebekka zu einem völligen Weihnachtsmuffel geworden war, schien Lukas allerdings ein Rätsel. Bis vor zwei Jahren freute sie sich schon im Oktober auf die Adventszeit, mit all den Kerzen und Düften und Klängen. Seit sie auf dem Schwarz-Trip war (so bezeichnete er Rebekkas Tick, nur noch in schwarzen Klamotten herumzulaufen), fand sie Weihnachten – wie sie es sagte - zum Kotzen . Gothic nannte sie ihre neueste Mode. Über das Thema Weihnachten hatte sie erst gestern zu ihren Eltern
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