Traveler - Roman
»Du atmest doch gar nichts, mein Freund. Das ist meine Zigarette.«
Boone stand auf und entfernte sich vom Fenster. Mit regloser Miene analysierte er die Lage. War der Mann gefährlich? Musste Boone ihn einschüchtern, um den Erfolg der Operation nicht zu gefährden? Wie reaktionsschnell war er?
Boone griff in eine der oberen Seitentaschen seines Parkas, tastete nach der halb umwickelten Rasierklinge, klemmte sie fest zwischen Daumen und Zeigefinger und holte sie heraus. »Mach sofort die Zigarette aus.«
»Erst wenn ich sie aufgeraucht habe.«
Boone trennte mit einem raschen Hieb das glühende Ende der Zigarette ab. Ehe der Serbe irgendetwas tun konnte, hatte Boone ihn am Kragen gepackt und hielt ihm die Rasierklinge dicht vor das rechte Auge.
»Wenn ich dir jetzt deine Augen zerschneide, ist mein Gesicht
das Letzte, was du je sehen wirst. Du wirst bis ans Ende deiner Tage an mich denken, Josef. Mein Anblick wird in dein Gedächtnis eingebrannt sein.«
»Bitte«, murmelte der Serbe. »Bitte nicht …«
Boone trat zurück und steckte die Rasierklinge wieder ein. Er schaute zum Ungarn. Der massige Kerl schien beeindruckt. Gerade als er sich wieder dem Fenster zuwandte, ertönte erneut Kommissar Loutkas Stimme in seinem Kopfhörer. »Was ist los? Wieso warten wir immer noch?«
»Wir warten nicht mehr«, antwortete Boone. »Sagen Sie Skip und Jamie, es ist an der Zeit, dass sie etwas für ihr Geld tun.«
Skip und Jamie waren zwei Brüder aus Chicago, die sich auf elektronische Überwachungssysteme spezialisiert hatten. Beide waren klein und dick und trugen identische braune Overalls. Boone beobachtete durch das NightScope, wie die Männer eine Aluminiumleiter aus dem Lieferwagen holten und sie auf dem Bürgersteig bis zum Dessousladen trugen. Sie wirkten, als wären sie Elektriker, die man wegen einer kaputten Leitung herbestellt hatte.
Skip klappte die Leiter auseinander, und Jamie kletterte hinauf zu dem Schild über dem Schaufenster des Dessousladens. Am Rand des Schildes war mehrere Stunden zuvor eine ferngesteuerte Miniaturkamera angebracht worden, die Maya gefilmt hatte, als sie vor Thorns Haustür stand.
Nachdem Jamie die Kamera an sich genommen hatte, kletterte er von der Leiter, trug sie zusammen mit Skip unter das Vordach der Eingangstür, stieg wieder hinauf, entfernte die Überwachungskamera, die Thorn dort zu seinem Schutz hatte installieren lassen, und ersetzte sie durch einen kleinen DVD-Spieler. Als die Brüder mit allem fertig waren, klappten sie die Leiter wieder zusammen und verstauten sie im Lieferwagen. Ihr Lohn für drei Minuten Arbeit waren zehntausend Dollar und ein Gratisbesuch in einem Prager Bordell.
»Machen Sie sich bereit«, sagte Boone zu Loutka. »Wir kommen runter.«
»Was ist mit Harkness?«
»Sagen Sie ihm, er soll im Lieferwagen bleiben. Wir holen ihn nach oben, wenn wir die Lage unter Kontrolle haben.«
Boone schob das NightScope in seine Tasche und machte den beiden Killern ein Zeichen. »Es ist so weit.«
Der Serbe sagte etwas zu dem Ungarn, und beide Männer standen auf.
»Vorsicht beim Betreten der Wohnung«, sagte Boone. »Harlequins sind äußerst gefährlich. Sie reagieren blitzschnell, wenn man sie angreift.«
Der Serbe hatte sein Selbstbewusstsein zum Teil wiedergewonnen. »Mag sein, dass diese Leute für Sie gefährlich sind. Aber mein Freund und ich kommen mit jedem Problem klar.«
»Harlequins sind keine normalen Menschen. Sie lernen von Kindheit an, wie man seine Feinde umbringt.«
Die drei Männer gingen hinunter auf die Straße, wo Loutka sie schon erwartete. Der Kommissar wirkte im Schein der Straßenlaternen blass. »Was ist, wenn es nicht klappt?«
»Wenn Sie Angst haben, können Sie gern bei Harkness im Wagen bleiben, aber dann kriegen Sie auch kein Geld. Nur nicht nervös werden. Wenn ich einen Einsatz plane, klappt alles.«
Boone überquerte, gefolgt von den anderen drei Männern, die Straße. Als er vor der roten Tür stand, zückte er eine Automatikpistole. In der anderen Hand hielt er eine Fernbedienung. Er drückte auf einen gelben Knopf, und von der DVD wurde ein Film abgespielt, der Maya zeigte, wie sie vor einer halben Stunde vor dieser Tür gestanden hatte. Blick nach links. Blick nach rechts. Alle waren bereit. Er drückte auf die Klingel und wartete ab. Oben ging wahrscheinlich der junge Russe – und nicht Thorn – zu dem Überwachungsmonitor und sah Maya. Die Tür ging klickend auf. Sie waren drin.
Die vier Männer
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