Traveler - Roman
Feuergrenze verlassen hat.«
Bei Sonnenuntergang saßen die drei unter dem Fallschirm und tranken Instantlimonade. Sophia bot an, Abendessen zu machen, aber Maya lehnte dankend ab. Gabriel hatte sich schon zu lange bei ihr aufgehalten, weshalb es höchste Zeit war aufzubrechen. Sophia nahm eine Königsnatter, die sich unter dem Tisch zusammengerollt hatte, und trug sie hinüber zur Abschussbasis. Als sie zurückkam, wirkte sie erschöpft und ein wenig traurig.
»Auf Wiedersehen, Gabriel. Kommen Sie mal vorbei, wenn es sich einrichten lässt.«
»Ich werd’s versuchen.«
»Wenn im antiken Rom ein Feldherr siegreich aus einem Krieg zurückkehrte, wurde ihm zu Ehren ein Triumphzug durch die Stadt veranstaltet. Zuerst kamen die erbeuteten Waffen und Standarten, dann die gefangenen Feinde und deren Familien. Anschließend die Soldaten und Offiziere des Feldherrn und schließlich der Held selbst in einem goldenen Streitwagen. Ein Sklave lenkte den Wagen, und ein anderer stand hinter dem Sieger und flüsterte ihm ins Ohr: ›Auch Sie sind nur ein Mensch. Ein Sterblicher.‹«
»Soll das eine Warnung sein?«, fragte Gabriel.
»Eine Reise in andere Sphären lehrt nicht automatisch Mitgefühl. Es gibt so genannte Cold Traveler. Das sind Personen, die den falschen Weg gewählt haben. Sie benutzen ihre Kraft, um das Leiden auf der Welt zu vergrößern.«
Maya und Gabriel machten sich auf den Weg zum Lieferwagen und fuhren dann auf der schmalen Wüstenstraße zum Highway. Am westlichen Horizont schimmerten die Lichter von Phoenix, und am klaren Himmel konnte man einen Dreiviertelmond und den hellen Schleier der Milchstraße sehen.
Maya erläuterte Gabriel ihren Plan. Sie brauchten vor allem Geld, ein sicheres Versteck und möglichst viele falsche Pässe. Linden würde Kontaktpersonen in Los Angeles Bargeld schicken. Hollis und Vicki hielten sich weiterhin dort auf, und es war gut, sie als Verbündete zu haben.
»Wieso sagen Sie Verbündete?«, fragte Gabriel. »Die beiden sind unsere Freunde.«
Maya wollte Gabriel klar machen, dass sie eigentlich keine Freunde haben durften. Ihn zu beschützen war ihre oberste Pflicht. Sie konnte ihr Leben nur für eine einzige Person riskieren. Gabriel hatte vor allem dafür zu sorgen, dass ihn die Tabula nicht schnappte.
»Sie sind unsere Freunde «, wiederholte er. »Haben Sie das verstanden?«
Sie beschloss, das Thema zu wechseln. »Wie war es?«, fragte sie ihn. »Wie hat es sich angefühlt, die Grenzen zu überschreiten ?«
Gabriel beschrieb die endlose Weite des Himmels, die Wüste und den riesigen Ozean. Und dann erzählte er ihr, wie er es empfunden hatte, seinen Bruder in der brennenden Kirche zu sehen.
»Unser Spion berichtet, dass Ihr Bruder äußerst kooperativ ist.«
»Dafür haben Sie keinen Beweis. Er versucht sicher nur zu überleben.«
»Er tut mehr als das. Er hilft den Tabula.«
»Sie befürchten, dass er zu einem Cold Traveler werden könnte, stimmt’s?«
»Das wäre möglich. Cold Traveler haben sich von der Macht korrumpieren lassen. Solche Menschen können viel Unheil anrichten.«
Eine Weile fuhren sie schweigend weiter. Maya schaute immer wieder in den Rückspiegel, aber es schien ihnen niemand zu folgen.
»Beschützen die Harlequins einen Cold Traveler?«
»Natürlich nicht.«
»Bringt ihr so jemanden um?«
Die Stimme des Travelers klang verändert. Als Maya ihm den Kopf zuwandte, musterte Gabriel sie mit durchdringendem Blick.
»Bringt ihr so jemanden um?«, wiederholte er.
»Das kommt vor. Wenn sich die Gelegenheit ergibt.«
»Würden Sie meinen Bruder töten?«
»Wenn das nötig wäre, ja.«
»Und was ist mit mir? Würden Sie mich töten?«
»Das ist pure Spekulation. Machen Sie sich darüber keine Gedanken.«
»Weichen Sie mir nicht aus. Ich kenne die Antwort.«
Maya umklammerte das Lenkrad fester. Sie wagte nicht, ihn anzusehen. Hundert Meter vor ihnen schoss etwas Schwarzes über die Straße und verschwand im Gebüsch.
»Ich habe die Kraft, aber ich kann sie nicht kontrollieren«, flüsterte Gabriel. »Ich kann meine Wahrnehmung für einen Augenblick beschleunigen und alles ganz deutlich sehen.«
»Egal, was Sie sehen, ich weiche Ihrer Frage nicht aus. Wenn Sie ein Cold Traveler werden, dann töte ich Sie. Ich habe keine andere Wahl.«
Die sich anbahnende Solidarität zwischen ihnen, die Freude über das Wiedersehen waren verflogen. Schweigend fuhren sie die leere Straße entlang.
ACHTUNDVIERZIG
L awrence Takawa legte
Weitere Kostenlose Bücher