Traveler - Roman
wieder in den Transportbehälter. »Wie heißen Sie?«
»Alexi.«
»Und wie lange arbeiten Sie schon für Thorn?«
»Für mich ist das keine Arbeit.« Der junge Mann wirkte
ziemlich selbstgefällig. »Ich helfe Ihrem Vater, und er hilft mir. Er trainiert mich, weil ich ein Kampfsportmeister werden will.«
»Und er hat schon große Fortschritte gemacht«, sagte ihr Vater. Erst hörte sie seine Stimme, dann kam er in einem elektrischen Rollstuhl um die Ecke gefahren. Sein Harlequin-Schwert steckte in einer Scheide, die an einer der Armstützen befestigt war. In den vergangenen zwei Jahren hatte Thorn sich einen Bart wachsen lassen. Seine Arme und sein Oberkörper waren immer noch sehr muskulös, und man vergaß dadurch fast, dass seine Beine dürr und unbrauchbar waren.
Thorn hielt den Rollstuhl an und lächelte seine Tochter an. »Guten Abend, Maya.«
Zuletzt hatte sie ihren Vater an dem Abend in Peshawar gesehen, als Linden ihn aus dem Gebirge im Nordwesten des Landes heruntergebracht hatte. Thorn war bewusstlos gewesen und Lindens Kleidung von Blut durchtränkt.
Mit Hilfe gefälschter Zeitungsartikel hatten die Tabula Thorn, Linden, einen weiblichen chinesischen Harlequin namens Willow und einen australischen Harlequin namens Libra in eine entlegene Region Pakistans gelockt. Thorn war überzeugt, dass dort zwei Kinder – ein zwölfjähriger Junge und seine zehnjährige Schwester – lebten, die Traveler waren und von einem fanatischen Religionsführer bedroht wurden. An einem Pass lauerte eine Gruppe Tabula-Söldner den vier Harlequins und ihren Helfern auf. Willow und Libra starben. Thorns Rückgrat wurde von einer Schrapnellkugel getroffen, und er war seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt.
Jetzt, zwei Jahre später, lebte ihr Vater in einer Wohnung in Prag zusammen mit einem tätowierten Freak als Diener, und alles war wunderbar – lass uns die Vergangenheit abhaken und vergessen. Maya war beinahe froh über die Querschnittslähmung ihres Vaters. Wäre er gesund, hätte er bestritten, je in den Hinterhalt geraten zu sein.
»Wie geht es dir, Maya?« Thorn wandte sich an den Russen. »Ich habe meine Tochter eine ganze Weile nicht gesehen.«
Die Tatsache, dass er das Wort »Tochter« benutzte, machte sie wütend. Es bedeutete, dass er sie nach Prag hatte kommen lassen, um sie um einen Gefallen zu bitten. »Über zwei Jahre lang«, sagte sie.
»Zwei Jahre?« Alexi lächelte. »Vermutlich haben Sie beide sich viel zu erzählen.«
Thorn machte eine Handbewegung, und der Russe nahm einen Handscanner von einem kleinen Tisch. Der Scanner sah aus wie die Geräte, mit denen auf Flughäfen die Körperkontrolle durchgeführt wurde, diente aber dazu, die von der Tabula verwendeten Ortungskugeln aufzuspüren. Diese Kugeln waren so groß wie Perlen und sandten ein Signal aus, das von einem GPS-Satelliten aufgefangen werden konnte. Die meisten Ortungskugeln funktionierten mit Funkwellen, eine spezielle Sorte aber auch mit Infrarotstrahlen.
»Nicht nötig, bei mir nach Kugeln zu suchen. Die Tabula interessieren sich nicht für mich.«
»Ich bin bloß vorsichtig.«
»Ich bin kein Harlequin, und das wissen sie auch.«
Der Scanner piepste nicht. Alexi verließ das Zimmer, und Thorn deutete auf den Sessel. Maya war klar, dass ihr Vater diese Begegnung bis ins Detail geplant und sich wahrscheinlich ein paar Stunden lang überlegt hatte, was er anziehen würde und wo die Möbel stehen sollten. Aber egal. Sie würde ihn einfach überrumpeln.
»Wirklich nett, dein Diener.« Sie setzte sich in den Sessel, während Thorn herübergerollt kam. »Eine sehr farbige Erscheinung.«
Normalerweise führten sie private Gespräche immer auf Deutsch. Dass Thorn nicht darauf bestand, war ein Zugeständnis an seine Tochter. Maya besaß Pässe zahlreicher Länder, aber zurzeit betrachtete sie sich als Engländerin. »Ja, die
Hautbemalung.« Ihr Vater lächelte. »Alexi hat einen Tätowierer aufgetan, der dabei ist, ein Bild der Ersten Sphäre auf seinem Körper zu verewigen. Nicht besonders angenehm, aber es ist Alexis eigene Entscheidung.«
»Ja. Jeder von uns hat die Freiheit, selbstständig zu entscheiden. Sogar ein Harlequin.«
»Du scheinst dich nicht zu freuen, mich zu sehen.«
Sie hatte sich vorgenommen, eisern die Selbstbeherrschung zu bewahren, aber die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. »Ich habe dich aus Pakistan herausgeholt – habe jeden zweiten Beamten des Landes bestochen oder bedroht, um dich in das
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