Treibgut
zuckte er wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Sein Blick irrte durch den Raum, streifte das auf dem Tisch stehende Tonbandgerät und blieb an der Tür haften. Anscheinend erwartete er, dass sie sich jeden Moment öffnete.
Doch seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.
Gerade als Henning sich zu fragen begann, ob man ihn auf diese Weise weichkochen wollte, kehrten die beiden Polizisten zurück.
Ihre Mienen verrieten Henning, dass es Neuigkeiten gab. Peer hielt eine dünne dunkelblaue Mappe in der Hand, die er wie eine Trophäe vor sich her trug.
Interessiert verfolgte Henning, wie er sie ablegte und aufschlug. Peer wartete, bis sein amerikanischer Kollege das Tonbandgerät aktiviert hatte. Dann räusperte er sich. »Herr Hartmann oder soll ich besser Dierks zu Ihnen sagen?«
Keine Reaktion.
»Also gut, wie Sie wollen. Hier steht, Sie sind am 25. Januar 2005 mit ihrer Tochter Joel in die Staaten eingereist. Ist das korrekt?«
Seiner Frage folgte ein kaum merkliches Nicken.
»Und wo ist Joel jetzt?«, fuhr Peer unbeirrt fort. »Oder Lea, wenn Ihnen das lieber ist. Ich möchte gerne wissen, warum Sie damals mit ihr fortgingen und was aus ihr wurde.«
»Wüsste nicht, was Sie das angeht«, knurrte Danko, bevor er wieder in störrisches Schweigen verfiel.
Auf Peers Stirn schwoll eine Ader an. »Was uns das angeht?«, fuhr er ihn an. »Vielleicht sollten Sie das besser mal Elena fragen? Wissen Sie eigentlich, was Sie ihr angetan haben? Ich meine, haben Sie auch nur die geringste Ahnung davon, durch welche Hölle sie die letzten beiden Jahre gegangen ist? Und das alles nur Ihretwegen!«
Ein flüchtiges Zucken in Dankos Gesicht bewies, dass der provokante Ton etwas bewirkte.
»Ich frage mich, wen Sie mit Ihrem Schweigen zu decken versuchen? Vielleicht Ihre zweite Ehefrau … Exehefrau?«, verbesserte er sich rasch.
Sein Gesichtsausdruck verriet Henning, dass Danko ganz und gar nicht gefiel, was sie alles herausbekommen hatten.
Noch bevor er sich einen Reim darauf machen konnte, setzte Peer erneut an: »Den mir vorliegenden Informationen zufolge haben Sie kurz nach Ihrer Einreise geheiratet. Hier steht«, er entnahm der Mappe vor ihm ein amtliches Schreiben, »dass sie am 12. März 2005 eine gewisse Suzette Steinhagen geehelicht haben. Die von Ihnen geschlossene …«
Wie immer, wenn er das erste Anzeichen eines Zusammenhangs erkannte, durchfuhr Henning ein Adrenalinstoß. Suzette Steinhagen. Den Namen hatte er doch schon einmal gehört. Nur wo? Auf der Suche nach einer Antwort zückte er sein Notizbuch und überflog die Seiten. Kurz darauf hatte er den entsprechenden Eintrag gefunden, der seinen Verdacht bestätigte. Suzette Steinhagen. Jetzt erinnerte sich Henning wieder an die von Elsbeth Satorius hinterlassene Nachricht auf seiner Mailbox. Hastig blätterte er zurück. Zu den Notizen, die er sich bei ihrem Gespräch in der Eisdiele gemacht hatte. Suzette Steinhagen war demnach die Letzte gewesen, die mit Elenas Vater gesprochen hatte. Gestritten, verbesserte sich Henning in Gedanken. Seinen Aufzeichnungen zufolge war es zwischen den beiden zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen. Kurz darauf hatte Elenas Vater einen tödlichen Schlaganfall erlitten. Noch während er nach einem Zusammenhang suchte, blieb sein Blick an einem weiteren Eintrag hängen. Er besagte, dass Suzette Steinhagen auf der Inneren gearbeitet hatte. In Hennings Kopf begann eine Alarmglocke zu läuten. War das nicht die Station gewesen, auf der sich Edmund Marks Frau einer Krampfaderbehandlung unterzogen hatte? Eine entsprechende Notiz gab seiner Vermutung recht. Bis jetzt hatte er der Information, dass Leonora Marks an einer Embolie gestorben war, keine weitere Bedeutung zugemessen. Doch nachdem, was er soeben in Erfahrung gebracht hatte, erschien ihm dieses Wissen nun in einem völlig neuen Licht. Konnte es sein, dass …?
»Die große Liebe kann es jedenfalls nicht gewesen sein«, riss ihn Peers vor Sarkasmus triefende Stimme aus seinen Überlegungen. »Sonst wären Sie jetzt nicht geschieden.« Wie aus seinen weiteren Ausführungen hervorging, hatte die Ehe gerade einmal sechs Monate gehalten. Nach der Scheidung war Suzette das Sorgerecht für Dankos Tochter übertragen worden.
Langsam begriff Henning die Zusammenhänge. Nur würde das nicht ausreichen. Was er brauchte, war Gewissheit. Henning musste herausfinden, wer den Totenschein von Frau Marks ausgestellt hatte. Für einen Moment dachte er daran, sich bei
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