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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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gefragt hätte.
    «Wir haben ein Kreuzfahrtschiff mit ungeklärter Todesursache an Bord. Route durch die Britischen Inseln. Ist heute Morgen in Altona eingelaufen. Italienische Reederei, Flagge Panama. Das heißt, wir haben an Bord eigentlich keine Jurisdiktion, das ist panamesisches Hoheitsgebiet. Aber …»
    «Das brauchst du mir nicht zu erklären», sagte die Chefin.
    «Aber der Tote ist offenbar Hamburger. Also müssen wir was unternehmen.»
    Sie setzte sich und seufzte. Der Inspektionsleiter kam näher und kniete sich sportlich verklemmt mit einem Bein auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Sie spürte, dass sie ihn nicht ausstehen konnte, so, wie sie früher ihre Hämorrhoiden gespürt hatte. Aber die hatte sie sich unter Vollnarkose entfernen lassen; der Inspektionsleiter würde bei ihr bleiben, solange sie hier arbeitete.
    «Wie ist denn das reingekommen?»
    «Küstenwache, Bremerhaven. Da gab’s einen anonymen Anruf. Bundespolizei ist auch schon da.»
    «Unübersichtlich.»
    «Ich kann dir sagen. Die Leute vom Präsidialbüro sind unruhig.»
    «Wieso, ist doch, wie du sagst: nicht deutsche Jurisdiktion. Sondern Panama.»
    Der Inspektionsleiter setzte sich auf seine Fußsohle, als wollte er betonen, was für ein informeller und kurzer Besuch dies hier war, aber sie merkte an der schmalen Gespanntheit seiner Körpersprache, dass er sich alles, was er sagte, auf dem Gang hierher genau überlegt hatte.
    «Der Tote ist an einer merkwürdigen Krankheit gestorben, und es ist nicht ganz klar, ob er absichtlich infiziert wurde. Im anonymen Anruf heißt es, der Tote habe stark gefiebert und geblutet – schwer zu verstehen, das war auf Englisch mit Akzent, ihr kriegt dann den Mitschnitt und eine Abschrift. Jedenfalls sind sich alle einig, dass wir daraus keine große Sache machen dürfen. Diese Schiffsgeschichten geraten schnell außer Kontrolle, vor allem, wenn da fünfzehn-, sechzehnhundert Leute an Bord sind. Und die Stimmung ist so, dass wir dabei nur verlieren können. Wenn wir auf die Kollegen aus Panama warten, die eigentlich zuständig sind, sehen wir untätig aus, und wenn wir versuchen, das Ganze zu forcieren, verursachen wir eine Aufmerksamkeit, die vielleicht nicht angemessen ist. Ganz zu schweigen davon, dass wir Erwartungen wecken, die wir vielleicht nicht erfüllen können.»
    Die Chefin lächelte. «Schöne Rede. Bisschen zurechtgelegt.»
    Er versuchte, ihr Lächeln zu treffen. «Du weißt ja, wie’s ist.»
    «Wenn du sagst, alle sind sich einig und so weiter, dann meinst du: der Vizepolizeipräsident will das.»
    Er kniff die Augen zusammen, und sie sah, wie sehr sie ihm auf die Nerven ging: die alte Kuh, immer noch da, immer noch stur.
    «Nämlich was genau?», fuhr sie fort: alt, stur.
    «Dass die Sache ohne größere Umstände vorübergeht», sagte der Inspektionsleiter knapp. «Die Reederei lässt ein oder zwei Leute von dir an Bord, um die Todesursache festzustellen, vielleicht ein paar Spuren zu sichern, Kollegenhilfe für Panama. Es wäre schön, wenn du dafür ein, zwei Leute hättest, die …» Hier machte er eine Kunstpause und hob leicht theatralisch die Schultern, bevor er fortfuhr: «… besonders geeignet sind.»
    «Weil sie faul und unfähig sind und die Geschichte lange genug verschleppen, bis wir sie los sind, ohne dass irgendwas an der Behörde oder am Polizeipräsidenten hängenbleibt?»
    «Ich bin sicher, dass du niemanden hast, der faul und unfähig ist. Wie gesagt, diese Schiffsgeschichten sind immer kompliziert.»
    «Molkenbur und Kalutza.»
    Der Inspektionsleiter wiegte den Kopf und verzog den Mund, als lehnte er nur unter Schmerzen ab. «Eben nicht. Die beiden begutachten schon so lange routinemäßig nichts als ungeklärte Todesfälle, dass ich Angst habe, sie geraten in Aufregung und Übereifer, sobald das Ganze einen Hauch maritimen Glamour kriegt.»
    Die Chefin sagte nichts.
    «Ein eigentlich talentierter Polizist, dessen Entwicklung seit Jahren stagniert und der sich ebenfalls ins Team für ungeklärte Todesfälle hat versetzen lassen, weil ihm der Stress bei Ermittlungen in Strafsachen offenbar zu groß ist. Der hier nur noch seine Stunden abreißt, weil er es nicht erwarten kann, Feierabend zu machen. Nie ganz angekommen in Hamburg, vermutlich längst auf der Tauschliste für einen Platz zurück nach Berlin. Im Team mit einem trockenen Alkoholiker, der sich wacker bemüht, aber nie wieder seine alte Form erreichen wird und der nach seiner Rückkehr ebenfalls zu

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