Heliosphere 2265 - Band 9: Entscheidung bei NOVA (Science Fiction) (German Edition)
NOVA-Station, Quartier von Tess Kensington, Alzir-System, 04. August 2266, 08:30 Uhr
Der Moment der Entscheidung war also gekommen. Zu früh. Viel zu früh. Lieutenant Commander Tess Kensington schüttelte langsam den Kopf, während sie das militärische Kurierboot nicht aus den Augen ließ. Das Schiff glich einem überdimensionalen Torpedo und konnte maximal vier Personen aufnehmen. Mehr war auch gar nicht nötig, war doch meist sowieso nur ein Offizier an Bord: der Kurier. Hier war das anders.
Tess lehnte sich in ihrem Konturensessel zurück, und schaltete auf die Kamera jenes Landepods um, auf welches das Schiff zuhielt. Wie erwartet standen Commodore Ashton und E.C. Lipsted schon Spalier, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Ersterer war der Kommandant der Station und wartete mit vor Stolz geschwellter Brust. Letzterer war der hiesige Vertreter der Inner Security Police und damit in Tess' Augen mit viel zu vielen Vollmachten ausgestattet. Seine Glatze glänzte ölig im Licht der Hangarbeleuchtung.
Neben ihnen stand Captain Ivo Coen, seit wenigen Tagen Stellvertreter von Commodore Ashton. Nur ihm verdankte sie die Information, dass die Neuankömmlinge auf Befehl von Präsident Sjöberg hier waren, um Commander Zev Buckshaw abzuholen. Dieser sollte in den nächsten Stunden von der Gefangenenwelt Pearl auf die Station gebracht werden. Es stand für sie außer Frage, dass der Gefangene die Erde niemals erreichen würde.
Das Kurierboot landete und ein Mann Ende vierzig stieg aus. Er trug die Rangabzeichen eines Commodores, die genauso säuberlich poliert waren, wie sein Vollbart gestutzt. Er blickte grimmig drein, als er auf die wartenden Offiziere zuging und wartete nicht auf seinen Adjutanten, der kurz darauf aus dem Raumschiff stolperte. Der arme Kerl wirkte auf Tess wie ein Welpe, den man gerade in einen See voller Piranhas geworfen hatte, um ihm das Schwimmen beizubringen. Die Wangen des blonden Mannes waren knallrot und er klammerte sich an sein Pad wie an eine Rettungsboje.
Ein Gespräch entstand, das für Tess jedoch keinerlei Bedeutung mehr besaß. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem zweiten Monitor zu, auf dem jene Netzwerkknoten angezeigt wurden, die mittlerweile vom Trojanerprogramm infiltriert worden waren. Die Codeverbreitung war zum Großteil gelungen, es gab aber noch immer freie Module. Und damit blieb ihr Dilemma bestehen.
Der Plan von Admiral Pendergast sah vor, dass das Verteidigungsnetzwerk nicht gegen die Schiffe der Rebellen vorging, sondern auf die systemeigenen Raumschiffe. So wäre es möglich, allein durch die Drohung des Einsatzes der Raketenforts diesen Kampf schnell und unblutig zu beenden. Hierfür musste der Trojaner jedoch zuerst vollständige Kontrolle über das System erlangen. Wartete sie aber mit dem verabredeten Signal, würde die Rebellenflotte nicht mehr rechtzeitig hier sein, um Zev Buckshaw und Lukas Akoskin zu retten. Die wären dann längst auf dem Weg zur Erde oder tot.
Tess fluchte lauthals. Bis zu diesem Punkt hatten sie Glück gehabt, aber das schien jetzt aufgebraucht zu sein. Zev durfte Sjöberg auf keinen Fall in die Hände fallen, wusste der doch durch das Verhör auf Pearl mit ziemlicher Sicherheit, wer sein Gefangener in Wahrheit war.
Ist es wirklich das große Ziel, das ich hier erreichen will, oder geht es nur um meine eigenen Gefühle?
Der Gedanke war einfach da und fraß an ihrer Selbstsicherheit. Natürlich liebte sie Zev, das stand außer Frage. Und sie wollte ihn befreien, sein Leben schützen. Doch niemals würde sie die Rebellenflotte herbeirufen, um das zu ermöglichen. Ihre persönlichen Gefühle mussten zurückstehen. Aber was war mit dem Ziel der Rebellen? Sie benötigten Zev, auch wenn keiner von ihnen es bisher wusste.
Und dann war da noch Akoskin. Er war ein Kollege, der ihr mehr als einmal das Leben gerettet hatte. Zwar war er einst Teil jenes Bundes aus Assassinen gewesen, der auch ihre Eltern getötet hatte, doch das konnte sie ihm nicht mehr vorwerfen. Nicht nach allem, was er ihr über seine Vergangenheit offenbart hatte.
Er war selbst ein Opfer. Gefangen von den Piraten des Eriin-Bundes, war er schon als Kind an die Assassinen weiterverkauft worden, die mit brutaler Gewalt jeden Widerstand brachen, um neue Mitglieder heranzuzüchten. So wurden aus unschuldigen Kindern über die Jahre Tötungsmaschinen. Akoskin hatte sich jedoch irgendwie befreit.
Zukünftig mochte er eine Menge Informationen über den Ketaria-Bund
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