Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Luft. »Aber zum Glück ist er auch mein Exmann. Er ist für sich selbst verantwortlich.«
»Karin!« Sackowitz schnaubte in sein Handy. »Ich muss nur noch herausfinden, wer und was …«
»Gute Nacht, Wolfgang.« Karins Enttäuschung und ihre abweisende Stimme trafen ihn wie vergiftete Pfeile. Dann beendete sie das Gespräch.
121
Ludwig stieg aus dem Bett. Die Matratze quietschte, als er sich erhob, und auch die Tür ging nicht lautlos auf. Ein heller Streifen Licht fiel von der noch immer brennenden Lampe aus dem Flur auf Ludwigs nackten Körper. Tabori wandte den Blick ab.
Als die Tür wieder ins Schloss gefallen war, lag er wieder im Dunkeln. Genauso reglos wie während der vergangenen Stunde. Oder waren es Stunden gewesen?
Nackte, verschwitzte Füße liefen fast lautlos über den Teppich, dann rauschte die Dusche. Tabori wollte sich ebenfalls säubern. Seinen Mund auswaschen. Die Zähne putzen. Seinen Körper schrubben, bis nicht nur die getrocknete, süßlich riechende Flüssigkeit von seinem Bauch verschwand, sondern am besten auch noch die Haut von seinen Knochen. Aber sosehr er sich auch anstrengte, er konnte nicht aufstehen. Sein Körper fühlte sich an wie gelähmt. Tabori dachte an zu Hause. An Mutter und Gentiana. Plötzlich schämte er sich. Er schloss die Augen und sehnte den Schlaf herbei. Nur keine Gedanken mehr.
Schritte näherten sich. Sekunden später legte sich Ludwig schon wieder neben ihn. Feuchte Finger liebkosten seine Hüfte. Ein Zittern ließ Taboris Kinderkörper erbeben. »Was ist mit dir?«
Er schwieg.
»Geht es dir nicht gut?«
Tabori öffnete die Augen, aber da war nur Finsternis.
»Das war … Ich dachte …« Ludwig räusperte sich in der Rabenschwärze. »Weißt du, mir geht es auch nicht gut. Ohne Fritz fühle ich mich so einsam und alleine.«
Tabori blieb still.
»Und deshalb brauche ich manchmal ein bisschen Trost.« Seine Stimme verlor sich in einem Flüstern. »Nur ein bisschen Trost. Das verstehst du doch, Tabori, oder?«
Das monotone Ticken der Uhr im Flur klang wie von fern in das finstere Zimmer. Beide sprachen kein Wort, bis Ludwig sagte: »Und einander zu trösten, das ist ja nichts Schlimmes. Eigentlich ist es etwas ganz Schönes.«
Taboris Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Auf dem Nachttisch erkannte er die Umrisse seines Fotos. Mutter und Mickael waren nur zu erahnen, trotzdem konnte er ihre verschämten, traurigen Blicke nicht ertragen, noch viel weniger als die wirren, wilden Augen von Ludwig, der so unglaublich laut geschnauft hatte. Gestöhnt wie die Männer, die abends zu seiner Mutter gekommen waren und sich dabei angehört hatten wie die Dorfschweine.
Gib mir deinen Mund.
Tabori wälzte sich in einer schnellen Bewegung vom Bett und rannte durch die Diele ins Bad. Zu spät. Er übergab sich auf den Toilettensitz, über die weißen Fliesen ringsum und sogar auf das Handtuch am Haken. Heftig atmend sank er auf die Knie. Tränen füllten seine Augen.
»O mein Gott.« Ludwig, der ihm gefolgt war, stöhnte. »Was für eine Sauerei.«
Tabori griff nach dem Handtuch, um das Erbrochene aufzuwischen.
»Hör auf damit!«
Aber Scham und Schmerz ließen Tabori noch heftiger scheuern. Das Handtuch stank jetzt nach Burgern. Erneut wurde ihm schlecht, aber es kamen nur noch ein Gurgeln und ein bisschen bittere Galle aus seiner Kehle.
»Tut mir leid«, stammelte er und wünschte sich ganz weit weg.
»Aber das braucht es doch nicht.« Ludwig ging neben ihm in die Knie. »Ist ja nichts Schlimmes passiert.«
Davon war Tabori nicht überzeugt. Noch immer rieb er das Handtuch über den klebrigen Boden. Wohin sollte er gehen? Zurück in die Kälte? Ohne Geld?
»Komm, lass mich dir helfen.« Ludwig entwand ihm das besudelte Handtuch, feuerte es ins Waschbecken und nahm ein frisches vom Regal, mit dem er die Fliesen zu säubern begann. »Was meinst du, wie oft Fritz neben die Schüssel gekotzt hat? Genau an die gleiche Stelle wie du. Weil er mal wieder zu viele Burger gegessen hatte, oder weil er nicht genug von den Pommes kriegen konnte. Und dann hat er es auch nicht rechtzeitig bis zum Klo geschafft.«
Tabori wollte einwenden, dass es nicht das Essen gewesen war, das ihn sich hatte übergeben lassen, aber er brachte keinen Ton über die Lippen. Er fühlte sich schwach und hilflos.
Ludwig lächelte ihn an. »Siehst du: Jetzt bist du tatsächlich wie Fritz. Aber eigentlich habe ich dich sogar noch ein bisschen lieber, als ich ihn
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