Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
wissen.«
Mit den Fingern massierte sie ihre Kopfhaut.
»Ob wir in Gefahr sind? Nein, unser Haus wird von der Polizei überwacht. … Was sagst du? Ja, da hast du recht. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn Harald sich mit seinem Wissen an die Polizei gewandt hätte.«
Sie lächelte.
»Ja, das stimmt. Harald ist ein fürchterlicher Dickkopf.« Aus ihren Worten sprachen Verzweiflung und Wut. »Aber zum Glück ist er auch mein Exmann. Er ist für sich selbst verantwortlich. … Gute Nacht, Wolfgang.«
Sie legte das Telefon in die Ladeschale zurück und begleitete Kalkbrenner zur Diele. »Das war mein Bruder. Er sorgt sich um mich und die Kinder.«
»Dazu hat er auch allen Grund.« Kalkbrenner zog seine Jacke an. »Und falls Sie Ihren Mann, tut mir leid, Ihren Exmann noch einmal sprechen sollten, dann …«
»Ich sagte doch schon, dass ich nicht weiß, wo er steckt.«
»Das habe ich ja auch gar nicht behauptet.« Kalkbrenner umrundete mit großem Abstand den Schuhberg, über den er zuvor gestolpert war, und schlüpfte im Treppenhaus in seine Stiefel. »Aber falls er noch einmal anruft, so wie gerade eben, dann sagen Sie ihm doch, er täte gut daran, Ihren Ratschlag zu beherzigen. Er sollte sich stellen. Alles andere macht die Angelegenheit für ihn nur noch schlimmer.«
120
Sackowitz raste wie besessen durch Berlin. Immer wieder schaute er hektisch in den Rückspiegel. Ein eiskalter Mörder war in der Stadt unterwegs, und Sackowitz hörte ihn schon die Klingen für seine nächste Tat wetzen. Nur wenige Meter hinter ihm. Vielleicht hockte er schon auf dem Rücksitz? Unwillkürlich sah er sich um, konnte aber keine Verfolger ausmachen. Doch was hatte das schon zu bedeuten? Die letzten Tage hatte er ja auch nicht mitbekommen, dass der Mörder ihm – und der CD! – schon längst auf der Spur war.
Er kurbelte das Fenster hinunter. Die kalte Luft ernüchterte ihn und ließ ihn wieder klare Gedanken fassen. Was hatte er gestern Abend noch gedacht?
Noch so einen Tag überstehst du nicht?
Wie man sich irren konnte. Aber da musste er jetzt durch.
Er parkte den Polo in einer Seitenstraße der Humboldt-Universität und suchte die Umgebung mit Blicken ab. Bei dem Mistwetter waren nur wenige Passanten unterwegs. Jeder von ihnen konnte der Mörder sein.
Er schaltete sein Handy an und wählte eine Nummer. Das Freizeichen erklang. Zweimal. Dreimal. Dann sogar ein viertes Läuten. Warum ging niemand an den Apparat? Vielleicht war keiner daheim.
Umso besser.
Doch im selben Moment verkrampfte sich auch schon sein Magen. Wenn niemand das Gespräch entgegennahm, konnte das auch bedeuten, dass …
O nein
,
bitte
,
nicht das!
Er war kurz davor, das Telefon auf den Beifahrersitz zu schleudern, als endlich eine vertraute Stimme ertönte: »Ja, Karin Spindler hier?«
»Karin«, japste er erleichtert. »Geht es euch gut?«
»Guten Abend, Wolfgang«, entgegnete seine Exfrau.
»Ich bin’s, Harald. Nicht dein Bruder.«
»Ja, Wolfgang, das ist wirklich schön, dass du dich meldest. Danke, uns geht es gut.«
»Karin, was redest du für einen Unsinn?«
»Aber die Polizei ist gerade bei mir.«
Sackowitz hielt die Luft an. »Wer? Ist es Kalkbrenner?«
»Ja, das ist es. Sie suchen nach Harald. Er soll etwas über einige Morde wissen.«
»Ja, Karin, deshalb rufe ich auch an. Es ist … Ach, verdammt, wie soll ich dir das nur erklären?« Er sammelte seine Gedanken. Gott sei Dank hatte Karin die Nerven behalten und so schnell gehandelt. Nicht auszudenken, wenn … »Es hat einen weiteren Mord gegeben, und ich … ich glaube, ich bin daran schuld. Ich mache mir große Sorgen …«
»Ob wir in Gefahr sind? Nein, unser Haus wird von der Polizei überwacht.«
»Okay, das ist gut. Ich …« Er verstummte, weil ein Passant auf ihn zuzusteuern schien. Aber nein. Der Fußgänger stapfte nur durch den Regen und machte kurz vor ihm einen Bogen, um ihm auszuweichen.
Glück gehabt!
Trotzdem ließ ihn Sackowitz nicht aus den Augen. Erst als der Nebel ihn wieder verschluckt hatte, sagte er: »Ich muss …«
»Was sagst du? Ja, da hast du recht. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn Harald sich mit seinem Wissen an die Polizei gewandt hätte.«
»Ich weiß, Karin, das habe ich dir versprochen. Ich hatte es auch vor, wirklich, und ich würde es auch gerne tun, aber es geht nicht. Ich kann dir nicht erklären, warum …«
»Ja, das stimmt«, unterbrach sie ihn. »Harald ist ein fürchterlicher Dickkopf.« Sie holte seufzend
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