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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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und schaute sich in dem Zimmer um. Es war nicht das teuerste Apartment im
Adler
, aber durchaus eins, mit dem man etwaige Besucher beeindrucken konnte. »Und warum nicht in der Firma?«
    Rudolph überlegte. Marten jetzt die Wahrheit vorzuenthalten würde ihr ohnehin schon schwieriges Verhältnis mit Sicherheit noch weiter verkomplizieren. Ihm reinen Wein einzuschenken würde es aber auch nicht besser machen, im Gegenteil! Rudolph musste an Radomski denken, dessen Anruf er am Morgen erhalten hatte. Radomski, ein entfernter Bekannter von ihm, hatte alarmiert geklungen. Und verdammt, ja, er hatte allen Grund dazu.
    Nachdem Marten den Rest vom Gin Tonic hinuntergekippt hatte, knallte er die leere Flasche auf die Kommode. »Rudolph, gibt es da etwas, das ich wissen muss?«
    Mehr denn je sehnte sich auch Rudolph nach Alkohol. Er leckte sich die Lippen.
    »Es fällt mir schwer, dir zu vertrauen.«
    »Und du meinst, mir geht es besser mit dir?«
    »Was soll das denn nun wieder heißen?«
    »Das weißt du doch ganz genau!«
    »Du Arschloch!« Im selben Moment schoss Martens Faust vor.
    *
    Tabori kannte den durchdringenden Gestank bereits, der ihn zu Hause erwartete, trotzdem raubte er ihm immer wieder aufs Neue den Atem.
    »Warum hast du nicht auf ihn aufgepasst?«, schimpfte seine Mutter, die Mickael gerade eine neue Windel anzog. Taboris Bruder schrie wie am Spieß, so wie jedes Mal, wenn er sich in die Hose gemacht hatte.
    »Er hat geschlafen.« Tabori lehnte die Gitarre an die Wand.
    »Und das ist ein Grund, ihn alleine zu lassen?« Endlich gab Mickael Ruhe. Mit einem fleckigen Tuch wischte die Mutter den Speichel fort, der ihm aus den Mundwinkeln rann. »Warst du wieder auf dem Berg?«
    »Ich war nur kurz draußen.«
    Sie entdeckte die Gitarre. »Du hast Musik gemacht?«
    Tabori senkte schuldbewusst den Blick.
    »Musik macht die Familie auch nicht satt.«
    »Aber sie macht mir Spaß!«
    Noch bevor er die Hand seiner Mutter sich nähern sah, spürte Tabori sie klatschend auf seiner Wange. »Ach, so ist das? Spaß macht sie dir? Meinst du etwa, ich habe Spaß dabei, Mickael jeden Tag die Windeln zu wechseln? Dir das Essen zu kochen? Dafür zu sorgen, dass überhaupt etwas auf den Tisch kommt? Wie wäre es, wenn du auch mal endlich Geld verdienst?«
    Die Ohrfeige brannte auf seiner Haut, aber das machte ihm nichts aus. Wütend rannte er aus dem Zimmer, aus dem Haus. Am liebsten wäre er auch noch aus dem Dorf geflohen, irgendwohin, nur weit weg, aber stattdessen stieg er ein weiteres Mal den Skanderberg hinauf. In der Ferne sah er, wie sich zwei Scheinwerfer näherten, aber sie waren noch zu weit entfernt, als dass man das Motorbrummen hätte hören können.
    In der Höhle saß Gentiana nach wie vor am Feuer. Neben ihr hockte jetzt Florim, der Neffe ihres Großonkels. Florim war zwei oder drei Jahre älter als sie und manchmal ziemlich ungestüm. »Ey, Tabori, du guckst, als hättest du …?«
    »Sei still!«, schnauzte Gentiana und sah Tabori an. »Wieder deine Mutter?«
    Tabori unterdrückte die Tränen, die er aufsteigen spürte. Er wollte nicht weinen. Nicht vor Florim, aber noch viel weniger vor Gentiana.
    »Du darfst es ihr nicht übel nehmen.« Sie streichelte Taboris Hand. »Sie ist verzweifelt. Und sie hat Angst vor der Zukunft.«
    »Aber mein Vater hätte mich nie geschlagen! Niemals.«
    Nachdenklich berührte Gentiana die Narbe an ihrer Stirn. »Bist du dir da sicher?«
    Nein, natürlich war er sich nicht sicher, Tabori hatte überhaupt keine Ahnung, was sein Vater gemacht hätte. Er versuchte, ihn sich ins Gedächtnis zu rufen, aber es wollte ihm nicht gelingen. Sein Vater war gestorben, als Tabori zwei Jahre alt gewesen war.
    In seiner Erinnerung gab es nichts anderes als ihr jetziges altes, feuchtes Haus aus Backsteinen, Brettern und Ziegeln, dazu die morschen Möbel, den kranken Mickael, den Grießbrei – und Männer, die abends an die Tür klopften. Die meisten von ihnen waren aus Gracen oder aus dem Nachbardorf. Gelegentlich kam auch der Pfarrer und neuerdings auch Sorti, der Dorfpolizist.
    Als Mutter am ersten Abend mit Sorti aus dem Wohnzimmer gekommen war und ihn gesehen hatte, hatte sie sich zu einem Lächeln gezwungen: »Es ist alles in Ordnung, Tabori. Es ist nichts Schlimmes passiert. Sorti ist nur nett zu mir gewesen.« Aber er hatte ihr verweintes Gesicht gesehen und sich gefragt, wie nett Sorti in Wirklichkeit gewesen war, wenn er seine Mutter zum Weinen gebracht hatte. Von allen Männern war

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