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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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der junge Polizist der schlimmste. Tabori konnte seiner Mutter nicht mehr böse sein.
    »Ich würde gerne viel Geld verdienen«, wechselte er das Thema.
    »Und womit?«, erkundigte sich Florim.
    »Am liebsten mit Musik. Aber das würde Mutter mir niemals erlauben.«
    »Und womit dann?«
    »Mit irgendwas. Egal.«
    Inzwischen war das Brummen des nahenden Fahrzeugs deutlich zu hören. Florim zog einen Rucksack, der Tabori bisher nicht aufgefallen war, aus dem Schatten. »Ey, warum kommst du nicht mit?«
    »Wohin willst du?«
    »Ich gehe Geld verdienen.«
    »Und wo?«
    »Da, wo Ryon auch ist. Er hat gesagt, man kann dort viel Geld in kurzer Zeit verdienen. Dort ist alles leichter, schöner und besser.«
    »Das hat er wirklich gesagt?«, bezweifelte Tabori.
    »Ja, Ryon hat erzählt, dort liegt die Arbeit für jeden auf der Straße.«
    Tabori war nicht überzeugt, aber, das musste er sich eingestehen, die Vorstellung war verlockend. Er nickte. Gentiana hauchte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange: »Pass auf dich auf.«
    Die Berührung war sanft und warm, und mit ihr verschwand Taboris Unsicherheit. »Ich bleibe nicht lange weg«, versprach er. »Nur kurze Zeit. Dann komme ich mit viel Geld nach Hause.«
    »Genau«, sagte Florim. »Das wird deine Mutter freuen. Und dann, ey, dann wird sie dir ganz sicher auch die Musik erlauben. Komm, der Bus ist gleich da.«
    Tabori eilte den Hang hinab zurück nach Hause. Die Tür zum Wohnzimmer war verschlossen, aber Tabori hörte keinerlei Geräusche mehr. In seinem Zimmer stopfte er einen zweiten Pullover, eine Hose und etwas frische Unterwäsche in seinen alten Rucksack. Von der Wand nahm er zwei Fotos und steckte sie in die Gesäßtasche seiner Hose. Neben dem Bett seines Bruders blieb er stehen. Mickael schlief. Ob er träumte? Tabori strich ihm kurz durchs Haar. Mickael zuckte, wachte aber nicht auf.
    Dann schlich er in die Küche. Auf halbem Weg hörte er seine Mutter aus dem abgeschlossenen Zimmer schluchzen. Konnte er sie alleine zurücklassen? Alleine mit Mickael? Und mit Sorti? Fast hätte Tabori aufgelacht. Als wenn ein Junge wie er etwas gegen einen Polizisten ausrichten könnte. Dann stieg Angst in ihm hoch. Er war noch nie alleine, ohne einen Erwachsenen, gereist. Würde er die Fahrt überstehen? Bestimmt, außerdem hatte er auch gar keine andere Wahl
.
Und Florim war ja auch noch an seiner Seite, und der war alt genug.
    Bei der Spüle fand Tabori Mutters Portemonnaie, dem er einige Geldscheine entnahm. Auf einen Zettel schrieb er:
Ich komme bald wieder. Dann geht es uns besser
.
Tabori.
Dann lief er zur Hauptstraße, an der er Florim bereits stehen sah. Gerade fuhr der Bus in Gracen ein und näherte sich der Haltestelle.
    Vor der Höhle auf dem Skanderberg konnte Tabori Gentiana erkennen. Ihr heller Leinenrock flatterte im Wind, der aufgefrischt hatte. Der Anblick erfüllte ihn erneut mit Wärme. Wie sehr er Gentiana mochte. Er winkte ihr noch einmal zu, dann stieg er nach Florim in den Bus.
    *
    Die Faust krachte gegen Rudolphs Schläfe, dann holte Marten erneut aus. Ein weiterer Hieb traf ihn am Auge. Stöhnend sank er zu Boden.
    Wütend starrte Marten auf ihn herab.
    »Verpiss dich«, presste Rudolph mit letzter Kraft hervor.
    Marten stürmte in den Korridor, während Rudolph sich unter Flüchen aufrappelte und die Tür schloss. Im Bad benetzte er die Prellungen an Wange und Augenbraue mit kaltem Wasser, dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und sah sich um.
    Die Ausstattung des Zimmers bestand aus einer Mischung von Tradition und Moderne. Neben der rustikalen Holzkommode thronten zwei schwarze Ledersessel. Die Art-déco-Leuchte kontrastierte mit dem verschnörkelten Bettgestell. Die Einrichtung passte zu Berlin; in wohl keiner anderen Stadt fügen sich derart viele Widersprüche zu einem harmonischen Ganzen zusammen.
    Wenn Rudolph sich nur selbst so ausgeglichen fühlen würde. Er hatte es von Anfang an für keine gute Idee gehalten, sich im
Adler
zu treffen, ausgerechnet in dem Nobelhotel schlechthin
.
Der Minibar entnahm er einen Wodka-Lemon. Ein Gin Tonic wäre ihm zwar lieber gewesen, aber Marten hatte die einzig vorhandene Flasche bereits geleert. Rudolph kühlte sich Wange und Auge, erst anschließend öffnete er den Wodka und trank.
    Der Alkohol entspannte ihn, zumindest soweit es die vertrackte Situation erlaubte. Die unverhoffte Begegnung mit Marten war zwar unangenehm gewesen, aber das bevorstehende Treffen mit Radomski würde ungleich heftiger werden.

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