Trigger - Dorn, W: Trigger
Ärztin gearbeitet hat?«
Mark verstand, worauf sie hinauswollte, aber er hielt seine
Entscheidung dennoch für die einzig richtige. »Nun, zum einen wird sie natürlich nicht auf derselben Station behandelt werden, auf der sie tätig war. Und zum anderen mag es sich nur deshalb befremdlich anhören, weil es sich um eine psychiatrische Klinik handelt. Wäre sie eine Chirurgin und müsste sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen, würde sie sich höchstwahrscheinlich auch von dem Arzt behandeln lassen, der auf diesem Gebiet einen exzellenten Ruf genießt, denken Sie nicht?«
Wirklich überzeugt schien er sie mit seiner Argumentation nicht zu haben, das war Nicole deutlich anzusehen. Dennoch meinte sie nach einem kurzen Moment des Überlegens: »Das müssen Sie entscheiden. Sie sind der Fachmann und werden wissen, was das Richtige ist.«
»Glauben Sie mir, es ist das Beste für sie«, versicherte Mark, und um seine Aussage zu bekräftigen, fügte er hinzu: »Ich werde alles mir Mögliche tun, damit ihr geholfen wird und wir die Hintergründe ihres Zusammenbruchs aufdecken können.«
Nicole schwieg und sah nachdenklich zu einer Anpflanzung hinüber, in der sich zwei Amseln zankten. Dann wandte sie sich wieder Mark zu. »Was glauben Sie – was könnte geschehen sein?«
Mark machte eine ratlose Geste. »Ich habe keine Ahnung, aber ich fürchte, wir kennen noch nicht die ganze Wahrheit.«
»Sie meinen, etwas ist passiert, was das alles erst freigesetzt hat?«
Mark spürte, dass er zitterte, als er Nicole ansah und langsam nickte. »Etwas, das schlimm genug war, ihre geistige Blockade nach all den Jahren zu durchbrechen.«
Kapitel 44
Die folgende Nacht verbrachte Mark im Hotel. Nicoles Angebot, im Gästezimmer ihres Hauses zu übernachten, hatte er dankend abgelehnt und war froh gewesen, dass sie Verständnis dafür gezeigt hatte.
Er brauchte Ruhe und Abstand, um die Ereignisse des vergangenen Tages zu verarbeiten. Eine Übernachtung im Haus der Familie Keppler hätte sicherlich lange Gespräche über die Frau mit sich gebracht, mit der er an diesem Morgen noch als Ellen Roth gefrühstückt hatte und die nun unter dem Namen Lara Baumann mit leerem Blick in einem Einzelzimmer des Kreiskrankenhauses lag.
Die ganze Nacht über hockte Mark am Bettrand, kaute gedankenverloren auf Salzstangen aus der Minibar und sah immer wieder zur Decke empor, über der sich das Zimmer befand, in dem Ellen genächtigt hatte, als sie noch Ellen gewesen war.
Lange dachte er über das nach, was ihr vor neunzehn Jahren im Keller der Ruine zugestoßen war und was dieses schlimme Ereignis in ihr ausgelöst haben mochte. Wie schon früher, als er noch mit Traumapatientinnen gearbeitet hatte, wurde ihm wieder bewusst, dass man zwar versuchen konnte, es sich vorzustellen, aber die Wirklichkeit um ein Wesentliches schlimmer gewesen sein musste. Schlimm genug, um eine Schutzpersönlichkeit wie Ellen Roth entstehen zu lassen.
Aber was war dann geschehen? Was hatte die Erinnerung an Lara zu ihr zurückgebracht? Diese Frage ließ ihn nicht mehr los.
Als er Lara am nächsten Vormittag in der Klinik besuchte, war Nicole bereits bei ihr. Der behandelnde Arzt hatte einer Verlegung in die Waldklinik zugestimmt, und am späten Nachmittag wurde Lara mit einem Krankentransport nach Fahlenberg gefahren. Mark und Nicole fuhren dem Krankenwagen in Nicoles Auto hinterher, nachdem Nicoles Ehemann an Marks Volvo einen Totalschaden festgestellt und ihn zum Schrottplatz abgeschleppt hatte.
In der Waldklinik angekommen, erhielt Lara auf Professor Fleischers Anweisung hin ein Einzelzimmer auf der Privatstation, wo man der noch immer reaktionslosen jungen Frau erst einmal Zeit zum Akklimatisieren ließ.
Mark und Nicole blieben noch eine Weile bei ihr. Obwohl Lara auf keines ihrer Worte reagierte, sondern mit leerem Blick durch sie hindurchzustarren schien, redeten sie mit ihr – hoffend, ein Teil von ihr würde dies doch wahrnehmen und ein wenig Geborgenheit dabei empfinden.
Als sie später das Zimmer verließen, bat Nicole, Mark möge ihr doch mehr über Ellen und die Ereignisse der vergangenen Tage berichten. Mark sah, wie schwer es ihr fiel, das Geschehene zu begreifen, und beschloss deshalb, sie zu den Orten zu führen, die die Ellen-Persönlichkeit aufgesucht hatte. Manchmal war es besser, etwas, das schwer zu glauben war, vor Ort zu erklären.
Auf dem Weg zum Versorgungstunnel erzählte Mark ihr von Laras Erlebnissen während der letzten Tage,
Weitere Kostenlose Bücher