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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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ihren erst neun Jahre und neun Monate jungen Verstand, handelte, ohne wirklich zu wissen, was sie tat. Sie stieß einfach mit der nach vorn gerichteten Spitze des Schraubenziehers zu.
    Hätte Harald Baumann ein wenig aufrechter vor ihr gestanden und wäre er nicht zu sehr damit beschäftigt gewesen,
ihr das Körperteil zu zeigen, mit dem Mädchen Spaß haben wollten – zumindest nach Manfreds Ansicht -, hätte der Stich möglicherweise nur seine Schulter durchbohrt. Schlimmstenfalls die Seite seines Halses, wo die Schlagader verlief.
    Doch nun traf sie ihn mitten ins Gesicht. Genauer gesagt in sein rechtes Auge. Lara hatte das nicht beabsichtigt, es passierte einfach. Und die Angst des Mädchens war derart groß, dass sie ihr ungeahnte Kräfte verlieh.
    Harald Baumann schrie, als die scharfkantige Metallspitze das geleeartige Gewebe seines Augapfels durchdrang. Sein Schrei endete abrupt, nachdem der Schraubenzieher den hauchdünnen Knochen der Augenhöhle durchbrochen und in sein Gehirn eingedrungen war. Stöhnend drehte er sich um die eigene Achse und fiel dann wie ein Sack auf den Rücken, wo er einfach liegenblieb. Sein erigierter Penis, der wie ein dicker Wurm auf seinem Bauch lag, schrumpfte zusammen.
    Obwohl sie den Schraubenzieher längst nicht mehr hielt, hatte Lara noch immer ihre zitternden Arme ausgestreckt. Sie begriff nicht, was sie gerade getan hatte, sondern befand sich vollkommen jenseits dessen, was man annähernd als denkend hätte bezeichnen können. Ihr Gesicht war kreidebleich, ihre Atmung ging schnell und stoßartig, und aus jeder Pore ihres Körpers troff der Schweiß.
    Zu ihren Füßen röchelte Harald Baumann, ihr Onkel, der Schwarze Mann.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl. Nicht, dass Harald wirklich Schmerzen hatte, nein, vielmehr merkte er, wie sein Körper allmählich zu verschwinden schien.

    Es kam ihm fast so vor, als würde er – oder vielleicht das von ihm, was der Pfarrer im Religionsunterricht die Seele genannt hatte – ganz langsam emporgehoben, während sein Körper auf dem Dielenboden des Schuppens liegen blieb.
    Mit seinem verbliebenen Auge sah er Staubflocken wie Sterne über sich tanzen, hell und fröhlich. Gleich neben seiner Nase funkelte das transparentrote Plastik des Schraubenziehergriffs. Im Licht der Ritzen an der Wand sah er wie ein schillernder Edelstein aus.
    Wunderschön, dachte er. Auch wenn es wehtut, das Auge danach zu drehen, ist dieser Edelstein doch wunderschön.
    Dann sah Harald wieder nach oben. Die hohe Decke mit dem Lattendach schien nun ein wenig näher gerückt zu sein, der Boden ein Stück ferner. Aber das Schönste von allem war Laras Gesicht über seinem. Sie war so unsagbar hübsch, auch wenn ihr Bild immer mehr zu verschwimmen schien.
    Er hätte schwören können, dass Lara ihn anlächelte. Er hörte sie sogar laut lachen.
    Ja, dachte er glücklich. Sie hat doch ihren Spaß gehabt. Jetzt hat sie mich wieder lieb.
    Er wollte ihr sagen, dass auch er sie ganz, ganz liebhatte, doch es ging nicht mehr. Und gleich darauf wurde alles um ihn herum schwarz.
    Schwärzer noch als Batmans Cape, war sein letzter Gedanke.
    Nichts, was Lara tat, ergab einen Sinn. Sie stand vor ihrem Onkel, der ausgestreckt auf dem Rücken lag, als ruhe er sich aus. Sein Gesicht war ganz und gar entspannt, die
Hände lagen flach neben seinem Körper auf dem staubigen Dielenboden, und er schien irgendetwas an der Scheunendecke erspäht zu haben.
    Nur einmal zuckte sein Auge nach rechts, wobei der Schraubenziehergriff in der rechten Augenhöhle wackelte und einen eklig schmatzenden Laut von sich gab.
    Vielleicht lag es an diesem Laut. Vielleicht war es dieses Schmatzen, das ihre Schockstarre löste. Ihr wurde klar, dass das Ungeheuer – der Schwarze Mann, der böse Wolf aus dem Märchenbuch – nun endlich tot war.
    Ein hässliches Lachen und Johlen platzte aus ihr heraus. Sie stand über Harald Baumanns Leiche, schrie, brüllte und grölte wie ein wahnsinnig gewordenes Tier, trat nach dem Toten, tanzte im Kreis und hüpfte umher wie ein durchgedrehter Frosch.
    Auf und ab. Auf und ab. Auf und ab. Bis sie schließlich erschöpft auf die Knie sank.
    Zitternd starrte sie in das Gesicht ihres zu Lebzeiten schwachsinnigen Onkels, starrte auf den Plastikgriff, der wie ein rotes Stielauge in einem Comic den Platz seines rechten Auges eingenommen hatte.
    Für einen Sekundenbruchteil wurde ihr klar, dass sie einen Menschen getötet hatte, ehe das Trauma wieder den schützenden schwarzen

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