Trigger - Dorn, W: Trigger
ging zurück auf den Gang. Zwar glaubte auch sie nicht, dass es dort einen Sicherungskasten gab – die Verlockung, ein wenig Elektriker zu spielen, wäre für den einen oder anderen Patienten sicherlich groß gewesen -, trotzdem hielt sie das nicht davon ab, einen prüfenden Blick umherschweifen zu lassen. Wenn es in diesem wieder und wieder renovierten Altbau Steckdosen gab, die nahe genug an Badewannen montiert waren, um sich mit einem Fön einen tödlichen Stromschlag zu holen, waren durchaus auch Sicherungskästen auf dem Flur der geschlossenen Psychiatriestation denkbar. Doch es gab wirklich keinen.
Endlich meldete sich ein Techniker. Seiner undeutlichen Aussprache nach war er gerade beim Essen.
Mittagszeit, dachte Ellen , auch das noch!
»Wo befindet sich der Sicherungskasten für Station 9?«, fragte sie, ohne sich mit einer langen Begrüßung aufzuhalten.
»Wer will das wissen?«
»Himmelherrgott, hier ist Dr. Ellen Roth. Also, wo ist er?«
Wieder schrie Böck im Hintergrund. Lange würde Mark ihn nicht mehr hinhalten können.
Selbst die bestgefüllte Therapeutentrickkiste ging irgendwann zur Neige.
»Hören Sie mal, Frau Doktor. Ich kann Sie nicht einfach an den Sicherungskasten lassen. Das ist gef…«
»Es geht um Leben und Tod!«
Das schien den Techniker zu überzeugen. »Im Keller. Bin gleich bei Ihnen.«
Dafür würde die Zeit nicht reichen. Das Büro des Technischen Dienstes befand sich am anderen Ende des Klinikgeländes.
Ellen wies ihn an, sie sofort auf ihrem Handy anzurufen, da das Stationstelefon nur einen begrenzten Empfang hatte.
»Und gnade Ihnen Gott, wenn Sie es nicht tun!«
Sie warf Marion das Telefon zu, doch die war viel zu verdutzt, um es rechtzeitig aufzufangen, woraufhin es scheppernd zu Boden fiel.
In ihrer Hektik vertippte sich Ellen zweimal am Zahlenschloss der Sicherheitstür, ehe sie den richtigen Code eingegeben hatte, um die Station verlassen zu können.
Als sie ins Treppenhaus hinauseilte, hörte sie Böcks Ruf hinter sich: »Jetzt reicht’s, ich mache Ernst!«
Während Ellen die Treppe zum Keller hinunterhastete, läutete ihr Handy. Es war der Techniker.
»Also, passen Sie mal auf, Frau Doktor«, begann er und erklärte ihr den Weg.
Der Sicherungskasten war abgeschlossen. Wütend schlug Ellen dagegen. Natürlich, dies war eine psychiatrische Klinik, hier war alles abgesperrt, was für Patienten nicht erreichbar sein sollte. Alles, bis auf Föns in Badezimmern.
Ellen zog ihren Hausschlüssel aus der Hosentasche. Es war der flachste Gegenstand, den sie bei sich trug, um damit die Abdeckung aufhebeln zu können. Der Techniker, der inzwischen unterwegs zum Stationsgebäude 9 war, aber auf keinen Fall rechtzeitig genug eintreffen würde, gab ihr genaue Instruktionen, wie sie den Aufbruch bewerkstelligen musste. Sie solle das Plastiktürchen an der Seite mit den Scharnieren aufhebeln, wiederholte er. Direkt am Schloss hätte sie keine Sonne, wie er es nannte.
Gerade als Ellen glaubte, nicht viel mehr zu erreichen, als ihren Hausschlüssel zu verbiegen, barst das Hartplastik. Sie packte die Abdeckung und riss sie ab.
»Welche Sicherung gehört zum Badezimmer?«
»Himmel, Frau Doktor, das kann ich Ihnen so nicht sagen! Suchen Sie den Hauptschalter!«
Ellen griff nach dem größten Schalter, den sie sah, und legte ihn um. Augenblicklich ging im Keller das Licht aus.
Keine Sekunde später sprang die Notbeleuchtung an.
Kapitel 5
Mark betrat Ellens Büro mit zwei Kaffeebechern, stieß mit der Ferse die Tür zu und stellte einen Becher vor Ellen ab.
»Hier. Trink das, dann geht es dir gleich besser. Ist Zucker drin. Gut für die Nerven.«
»Danke.«
Sie belohnte seine Fürsorglichkeit mit einem Lächeln, wagte jedoch nicht, nach dem Becher zu greifen. Ihre Hände zitterten noch viel zu sehr.
Mark schuf Platz auf einem Besucherstuhl, auf dem mehrere Ordner lagen, und setzte sich.
»Geht’s wieder? Du bist kreidebleich.«
»Ja, es wird schon.« Sie ballte die Hände zu Fäusten, um ihrem Zittern Herr zu werden.
Mark legte den Kopf schief und hob eine Braue. »Klingt nicht sehr überzeugend.«
Ellen seufzte. »Ich habe schon öfter über Leute gelesen, die in Extremsituationen völlig rational und selbstsicher reagiert und deren Knie sich danach in Pudding verwandelt haben. Jetzt erlebe ich das wohl am eigenen Leib.«
»Verständlich«, sagte Mark und nippte an seinem Kaffee. Auch er machte einen mitgenommenen Eindruck. »War verdammt knapp vorhin. Hast
Weitere Kostenlose Bücher