Trinity (German Edition)
hatte es zu regnen angefangen. Kochende Wolken, Tausende von Fuß hoch, hatten sich über die trockene Jornada del Muerto hinweggewälzt; Blitze erhellten den Himmel, und der Donner versuchte, mit der Explosion in Wettbewerb zu treten, die jetzt Menschen vorbereiteten.
Jetzt erinnerte Elizabeth sich wieder, die Enttäuschung, die gereizte Stimmung, die Ungeduld der Wissenschaftler. Oppie und General Groves hatten sich im Bunker gegenseitig angebrüllt. Elizabeth selbst war schlaff und deprimiert und irgendwie verunsichert gewesen. Sie spürte, wie ihr Gewissen sich vernehmbar machte, befand sich mit sich selbst in Kriegszustand. Niemand wusste, was geschehen würde, auf welchen Weg das, was hier geschah, die Menschheit führen würde. Und sie hatte ihnen dabei geholfen. All ihre Proteste gegen Kernwaffen, nachdem es zu spät war – und jetzt hatte sie eine Chance gehabt, dem ganzen Wahnsinn von Anfang an Einhalt zu gebieten, und sie hatte versagt. Sie war ein Teil dessen geworden, was sie hasste … oder war das Ganze nur eine Art Gehirnwäsche, die von der ganzen Situation ausging? Oder war diese Gehirnwäsche vielleicht schon vorher erfolgt? Wahrscheinlich würde sie es nie wissen.
Sie hatte einige Nächte auf dem Gelände schlecht geschlafen. Im Testbunker, als der Countdown schließlich wegen des strömenden Regens angehalten worden war, und die Wissenschaftler nervös herumgerannt waren, war sie einfach mürrisch herumgesessen. Dick Feynman hatte ihr nahegelegt, sich ein wenig hinzulegen, als die anderen zur Ranch zurückfuhren, um den Sturm abzuwarten.
Als sie sich auf der alten Segeltuchpritsche zurückgelehnt und dem Tröpfeln des Wassers gelauscht hatte, das durch das alte Dach sickerte, den Duft der vom Regen nassen Wüste gerochen hatte, wusste sie, dass der Test nicht stattfinden konnte. Das Wetter würde perfekt sein müssen. General Groves würde nie zulassen, dass etwas sein großes Spektakel störte.
Elizabeth blinzelte ein paarmal und warf einen Blick auf ihre zerdrückte Kleidung. Feynman fuhr fort, sie anzustarren, grinste jetzt anzüglich. Sie fühlte sich schmutzig und steif. Eine lange heiße Dusche müsste jetzt herrlich sein, mit viel Seifenschaum, einem guten Shampoo und einem Fön. Ein Fön – sie hatte seit eineinhalb Jahren keinen mehr benutzt. Selbst eine Dusche schien in diesem Höllenloch jenseits aller Möglichkeiten zu liegen.
»Wie lange noch bis zur Detonation?«
»Höchstens zwei Stunden. Offiziell ist sie noch gar nicht angekündigt. Oppie möchte vorher einen neuen Bericht vom Meteorologen. Der General sieht aus wie ein kleiner Junge, dem man die Weihnachtsbescherung gestrichen hat.«
Elizabeth schickte sich an, aufzustehen, aber Feynman blieb stehen, wo er war, ohne jeden Respekt für ihre Privatsphäre. Sie nestelte an ihren Blusenknöpfen herum. »Äh, wie wäre es, wenn Sie mich eine Minute lang allein lassen würden, damit ich saubere Kleidung anziehen kann? Ich will schließlich hübsch angezogen sein, wenn der Atomknall kommt, wissen Sie.«
Feynman schob die Augenbrauen hoch. »Wenn Sie darauf bestehen.« Er ging rückwärts zur Tür hinaus. »Wir sehen uns dann draußen.«
Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, zwängte sich Elizabeth in die Khaki Dungarees, die sie sich mitgebracht hatte. Sie hatte sie in Los Alamos im PX gekauft. Ihr einziges Paar Blue Jeans passte ihr nicht mehr besonders gut. Sie hatte zugenommen, vom zu vielen Herumsitzen, der sitzenden Lebensweise, dem zu bequemen Leben.
Zu bequem, zu leicht bereit, all das hinzunehmen, was hier im Gange war. Sie hatte aufgehört zu kämpfen und hatte kapituliert. Aber nach dem Test würde sie wirklich mit ihrer Debatte anfangen, würde die Leute davon überzeugen, dass sie nie die schreckliche Waffe einsetzen durften, die sie entwickelt hatten. Nach den Jahren der Anstrengung und Milliarden von Dollar, die dafür aufgewendet worden waren, wusste Elizabeth, dass der Präsident gar keine andere Wahl hatte, als mit eigenen Augen zu sehen, wie das Gadget funktionierte. Sie musste bloß alle davon überzeugen, dass sie die Waffe nicht gegen Menschen, nicht gegen Deutschland und nicht gegen Japan, einsetzten. Sie gab sich redlich Mühe, sich selbst einzureden, dass General Groves und die anderen auf sie hören würden.
Sie trat neben Feynman, der vor der Tür wartete. »Fertig?«
»Ja. Gehen wir zu Oppie.« Feynman ging durch den Flur zum Wohnzimmer voraus.
An Steckdosen angeschlossene Notlichter
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