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Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Titel: Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniil Charms
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sich rasch wieder gefasst. Alle setzten sich zu Tisch und tranken weiter.
    Vater holte eine Zeitung hervor, drehte sie lange hin und her und suchte, wo oben und unten war. Doch so lange er auch suchte, er fand es nicht raus, und dann legte er die Zeitung beiseite und trank ein Gläschen.
    »Gut«, sagte Vater, »aber Gürkchen haben wir keine.« Mutter wieherte unanständig, weshalb die Dienstmädchen sehr verlegen wurden und sich in das Muster der Tischdecke versenkten.
    Vater trank noch einen, und auf einmal packte er Mutter und setzte sie auf die Anrichte.
    Mutters üppiger grauer Haarturm war in Auflösung begriffen, sie bekam rote Flecken im Gesicht, und überhaupt sah ihre Visage sehr erregt aus.
    Vater zog den Hosenbund etwas höher und wollte einen Toast ausbringen.
    Doch da öffnete sich eine Falltür im Boden, und ein Mönch kletterte heraus.
    Die Dienstmädchen waren dermaßen verlegen, dass die eine sich übergeben musste. Natascha hielt ihrer Freundin die Stirn und gab sich alle Mühe, die Sauerei zu verbergen.
    Der Mönch, der dem Fußboden entstiegen war, haute Vater mit der Faust eine aufs Ohr, dass es nur so krachte!
    Vater plumpste auf seinen Stuhl, ohne den Toast beendet zu haben.
    Da trat der Mönch auf Mutter zu und versetzte ihr irgendwie eins von unten, ob mit der Hand oder dem Fuß, das war nicht auszumachen.
    Mutter fing an zu schreien und um Hilfe zu rufen. Aber der Mönch packte die beiden Dienstmädchen am Schlafittchen, wirbelte sie durch die Luft und setzte sie wieder ab. Dann tauchte der Mönch, hast du nicht gesehen, wieder im Fußboden ab und schloss die Falltür hinter sich.
    Lange Zeit konnten weder Mutter, noch Vater, noch das Dienstmädchen Natascha zu sich kommen. Doch nachdem sie tief durchgeatmet und sich in Ordnung gebracht hatten, tranken sie alle einen Schluck und setzten sich zu Tisch, um von dem geschnitzelten Kohl zu essen.
    Dann tranken sie noch ein Glas und saßen alle friedlich beisammen und unterhielten sich.
    Plötzlich wurde Vater knallrot im Gesicht und brüllte los:
    »Ach so! So ist das!«, schrie Vater. »Ihr meint, ich bin ein Erbsenzähler! Ihr denkt, ich bin eine Niete! Aber ich lass mich doch hier nicht aushalten! Selber Kanaillen!«
    Mutter und das Dienstmädchen Natascha verließen fluchtartig das Esszimmer und schlossen sich in der Küche ein. »Jetzt fängt er wieder an, der Saufkopp! Jetzt fängt er wieder an, der Saukerl!«, flüsterte Mutter entsetzt der nun wirklich verlegenen Natascha zu.
    Aber Vater hockte noch bis zum Morgen im Esszimmer und brüllte herum, bis er schließlich seine Aktentasche mit den Papieren nahm, die weiße Schirmmütze aufsetzte und bescheiden zur Arbeit ging.
     
    31. Mai 1929
     
    An der Uferstraße unseres Flusses hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Der Regimentskommandeur Sepunow war am Ertrinken. Immer wieder verschluckte er sich, kam bis zum Bauch aus dem Wasser hoch, schrie und soff wieder ab. Er ruderte mit den Armen in der Luft und schrie wieder, man solle ihn retten.
    Die Leute standen am Ufer und schauten finster.
    »Der ertrinkt«, sagte Kusma.
    »Klar tut er das«, bestätigte ein Mann mit Schirmmütze.
    Und in der Tat, der Regimentskommandeur ertrank. Die Menge begann sich zu verlaufen.
     
    <1929>
     
    Bobrow ging die Straße entlang und dachte darüber nach, warum eine Suppe nicht mehr gut schmeckt, wenn man Sand reinstreut.
    Plötzlich sah er auf der Straße ein sehr kleines Mädchen sitzen, das einen Wurm in der Hand hielt und laut weinte.
    »Warum weinst du?«, fragte Bobrow das kleine Mädchen.
    »Ich wein ja nicht, ich singe«, sagte das kleine Mädchen.
    »Warum singst du denn so?«, fragte Bobrow.
    »Damit dem Wurm nicht langweilig ist«, sagte das Mädchen,
    »und heißen tu ich Natascha.«
    »Ach, so ist das?«, staunte Bobrow.
    »Ja, so ist das«, sagte das Mädchen, »auf Wiedersehen.« Das
    Mädchen sprang auf, stieg aufs Fahrrad und radelte davon.
    »So klein und fährt schon Fahrrad«, dachte Bobrow.
     
    <1930>
     
    Ein gewisser Ingenieur hat sich zum Ziel gesetzt, quer durch Petersburg eine riesige Ziegelmauer zu bauen. Er denkt darüber nach, wie er dies verwirklichen könne, liegt nächtelang schlaflos und grübelt. Nach und nach bildet sich ein Kreis von Denkern, ebenfalls Ingenieuren, und ein Plan zur Errichtung der Mauer wird erarbeitet. Danach soll der Bau der Mauer nachts erfolgen, und zwar so, dass alles innerhalb einer Nacht fertig wird, denn es soll eine Überraschung

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