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Trisomie so ich dir

Trisomie so ich dir

Titel: Trisomie so ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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liegt vor dem Auto des Mädchens, der wundervollen Rothaarigen, dort, wo sie es geparkt hat, dort, wo er sie zum ersten Mal flüchtig flüchtend sah, wie sie gazellenartig gen Supermarkteingang hüpfte, und er liegt da, wie ein angefahrenes Tier und bewegt sich nicht. Er wartet auf ihre Rückkehr. In seiner Vorstellung ist es so, dass sie nun ihre Mädcheneinkäufe erledigt, wie Haargummis, Schokoladentäfelchen mit Orangengeschmack, zuckerfreie Kaugummis und Handcreme, dann von einem roten Turnschuh auf den anderen tretend und sich mit einem Zeigefinger ihrer Wahl kleine Locken in ihre roten Haare drehend an der Registrierkasse wartet, und wenn sie an der Reihe ist, wird sie lächeln, passend bezahlen, weil sie, genau wie Roy, das Geräusch, das Kleingeld zwischen ihren dünnen Fingern macht, so sehr mag und deswegen immer viele Münzen in ihrer Geldbörse hat. Und dann geht sie auf dünnen Beinen zaghaft federnd wieder hinaus auf den Parkplatz, und ihr rotes Haar duftet nach Sommer und dem Gefühl, das Kinder haben, die zum allerersten Mal den Ozean riechen.
    Sein einziges Ziel ist es, dass das Mädchen mit den roten Schuhen und ebensolchen Haaren nicht einfach so verschwindet, sie soll ihn bemerken, spüren, dass er da ist. Roy will sich fühlbar, erfahrbar machen, einfach nur durch sein bloßes Dasein, er will mittels seines simplen Erscheinungsbildes den Eindruck von Standfestigkeit und von festem Willen vermitteln. Dass das Liegen vor einem fremden Fahrzeug aber eine Handlung ist, die kaum etwas ausstrahlt als naive Lächerlichkeit, entgeht Roy aber in seiner Schockverliebtheit. Da sind kaum klare Bilder in seinem Kopf, kaum Reflexion bezüglich seiner Handlung, und so liegt er vor diesem grünen Fiat Punto und erwartet irgendeine Veränderung.
    Guckt Roy nach links, so sieht er den Supermarkteingang und harrt der roten Turnschuhe, von denen er sich wünscht, dass sie erneut in sein Blickfeld treten, und rollt Roy seinen Kopf nach rechts, sieht er die Straße, auf der einige Autos im Schritttempo entlangfahren. Auf dem Parkplatz herrscht ein reges Treiben, aber niemand scheint Roy Beachtung zu schenken, wie er da liegt mit seiner Sonnenbrille und seine Herz schlagen hört, dass sich anfühlt wie ein durchgeknallter Flummi.
    Schließt Roy die Augen, so sieht er das rothaarige Mädchen. Erst aus der Ferne, und dann kommt es auf ihn zu, zuerst langsam, und dann rennt es, rennt so schnell, dass ihr rotes langes Haar wie ein Schleier wirkt, der hinter ihr herfliegt, und sie wirft sich in Roys Arme, einfach nur so, weil da Platz ist in seinen Armen, und dann gehen die beiden Hand in Hand zum Haus von Roys Eltern und setzen sich auf die kleine Holzbank, die Roys Vater selbst gebaut hat und auf die er so stolz ist, und Roys Mutter kommt mit einem Tablett aus der Haustür und bietet dem Mädchen und Roy Apfelschorle und gute Schokokekse an, und die beiden nehmen, und die Mutter verschwindet wieder im Haus, und es ist still, und Vöglein singen, und Roy ist glücklich und das Mädchen auch. Eine heimatfilmartige Idylle schwebt über dem Haus und irgendwas aus Harmonie und der Gewissheit, dass die Möglichkeit besteht, Träume in Wahrheit umzuwandeln, tanzt in Roys Kopf.
    Der Moment der geschlossenen Augen gehört ganz ihm, und er merkt erst, dass er ein Opfer seiner Phantasie geworden ist, als er die Augen öffnet und eine alte Frau ihn anstarrt. »Hallo?« Ihre Stimme klingt nach gutmütiger Altersmilde, und Roy, der sich vorgenommen hat, nie zu sprechen, weil er doch weiß, dass Worte nur die Taten umschließen und die Gefühle beschreiben, die aber niemals gelebt werden, Roy also starrt in ihr Gesicht und die alte Frau dreht sich um und ruft über den Parkplatz: »Hier liegt ein behinderter Junge, kann mal jemand helfen?« Dann sieht Roy eine Menge verschiedenbeschuhter Füße, die sich nähern und sich um seinen Kopf positionieren. »Was ist denn mit ihm?«, fragt eine Frau mittleren Alters, die ein kleines Mädchen an der Hand hat. »Ich weiß es nicht, der lag hier, der Junge, vielleicht ist der irgendwo abgehauen, aus einem Wohnheim oder so?« Die alte Frau, die Roy zuerst gefunden hat, blickt besorgt auf ihn herunter. »Vielleicht hat er sich auch einfach nur verlaufen?« Roy starrt in nunmehr fünf Augenpaare, die ihn fixieren, und Münder öffnen sich und geben Mutmaßungen preis, und eigentlich will er, dass endlich die roten Schuhe wiederkommen und dann alles in einer Harmonie aufgeht, die er sich zurecht

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