Trisomie so ich dir
Kennenlernstrategie, alles folgte keinem Prinzip, aber dem völligen Zufall. Dass es dann aber doch Emil traf, war kleinen Worten geschuldet, die Emil in sein Profil postete. Alle hatten mit dem Gefühl zu tun, sich in der optionalen Vielfalt des Lebens mehr als Alleingelassen zu fühlen und sich dem Scheitern auf hohem Niveau hingeben zu können. Das traf Solveig irgendwie mitten in die Herzkammer, ganz innen traf sie das, es berührte ihr unschuldiges Mädchensein, und so schickte sie Emil einige Nachrichten, die er in seiner selbstverlorenen Art beantwortete, und es wuchs eine kleine Blume, die Blume der verlorenen Kinder der Neuzeit, und sie wurde von dort an täglich mit Illusionen gefüttert.
Emil und Solveig tauschten sich über ihr Verlassenheitsgefühl und ihre mängelexemplarischen Erscheinungsbilder aus. Beide hatten sie das Gefühl, so unscheinbar und trotzdem irgendwie so wichtig wie Atemluft zu sein. Statements flogen durch den virtuellen Raum und schufen ein kleines Vertrauen, erbauten einen Ort für formschöne Gedanken abseits jeder Uniformität. Es entstand eine kleine neue Welt, einer minimalistischen Welt voller Verständnis und guten Gefühlen. So philosophierten Emil und Solveig, und da war ein Wachstum an Verständlichkeit zu bemerken, und manchmal fühlte sich Solveig, als schwömme sie im selben Gewässer wie Emil, als wären sie freundschaftlich verbundene Fische, die ihr Dasein im begrenzten Aquarium der Abgestandenheit fristen mussten. Und das zelebrierten beide.
Emil hatte es aber auch drauf, sich interessant zu machen. Manchmal war es so, dass Solveig eine Nachricht an ihn versandte, die viel Gefühl und Offenheit an den Tag legte und dann stundenlang vor dem Computer herumgammelte, Zigaretten und Kaffee inhalierend, um auf Emils Antwort zu warten, und es fühlte sich nicht an, wie das Verschwenden von Zeit, sondern wie das Warten auf ein Geschenk.
Aktualisieren: nichts. Aktualisieren: nichts. Aktualisieren: nichts. Jeder Klick Solveigs war mit der Hoffnung gesegnet, dass es dieses Mal einfach mal wieder funktionieren müsste, das mit dem Verlieben.
Es kam irgendwann das unvermeidbare Treffen, und was geschah? Solveig war enttäuscht. Enttäuscht von seiner Höflichkeit, seinem viel zu guten Aussehen, seinem unbedingten Willen, ihr irgendwie zu gefallen. Sie tranken Cappuccinos, Apfelschorlen und man bestellte ein wenig Fingerfood, aber der erwartete Funke, der dieser Situation irgendwas Erotisches, gar Weltbewegendes beisteuern sollte, der blieb einfach aus, die Sau. Bevor das Leben spannend werden konnte, blieb es einfach langweilig, und Solveig guckte den Emil an, der irgendwie mittlerweile immer ihren Blicken auswich, weil er sich auch wohl ein Gefühlsereignis versprochen hatte, was nicht passiert war. Die Zeit tropfte zähflüssig durchs Oleander, und Solveig versuchte noch, irgendetwas Interesseweckendes zu tun, aber das Interesse schlief tief und fest, und so saß man da und tauschte magielose Belanglosigkeiten aus, und die vorbereitete Stimmung verstumpfte einfach mit jeder Minute, die man sich gegenübersaß. Es war, als wäre Solveig ein Mittelstürmer, der sich weit in der eigenen Hälfte den Ball erobert hatte und jetzt jeden Gegner ausdribbelte und irgendwann sogar den Torwart umspielte, um dann aber vor dem leeren Tor zu stehen und den Ball daneben zu schießen. Vielleicht aus Kraftlosigkeit oder vielleicht aus reiner Unfähigkeit. Oder aus mangelndem Interesse an der Sportart.
Irgendwann gingen sie dann wieder auseinander, Solveig und der Emil, Solveig etwas trauriger als zuvor, und Emil hatte sich wahrscheinlich auch mehr versprochen. Er zahlte in seiner charmanten Art die Rechnung, fand das Mädchen nicht uninteressant, aber sie hatte, auch wenn nicht verbal, deutlich signalisiert, dass aus dieser Zweierbegegnung keine Romanze werden würde. Sie ging, wie sie gekommen war, allein. Aber mit der Realität, die plötzlich und eigentlich erwartbar aufkreuzte, kam auch etwas Trauer mitgeschwemmt, die Traurigkeit darüber, sich nicht wirklich mehr verlieben zu können, nachdem er sie verlassen hatte.
Er , wie sie ihn nennt, weil sie denkt, dass Herzamputierern wie ihm kein Eigenname zustünde, brach vor knapp 2 Jahren Solveigs noch junges, naives Mädchenherz. Es war ihre zweite längere Beziehung, und die Solveig glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann, aber an die große Liebe und ebensolches Glück. Eine gefährliche Phase in jedem Leben, das von Mädchenromantik
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