Trügerisches Spiel (German Edition)
einem Mann, dem es offensichtlich nichts ausmachte, Menschen umzubringen. Irgendwie musste es ihr gelingen, hier lebend herauszukommen, doch wie sollte sie das tun? Er stand direkt vor der Tür und hielt die Waffe auf sie gerichtet. In dem kleinen Fahrstuhl war es so gut wie unmöglich danebenzuschießen. Sie konnte nur versuchen, ihn so lange abzulenken oder reden zu lassen, bis sie im Erdgeschoss angekommen waren. Oder jemand zusteigen wollte. Der Lift war zwar langsam, aber es sollte nicht länger als dreißig Sekunden dauern, die restlichen zwei Stockwerke hinter sich zu bringen.
Jocelyn fuhr mit der Zunge über ihre trockenen Lippen und schmeckte Blut. Die Übelkeit verstärkte sich. »Warum haben Sie das getan?« Sowie die Frage heraus war, kam sie ihr lächerlich vor. So etwas mochte in drittklassigen Krimis funktionieren, aber in der Realität ließ sich ein Täter dadurch sicher nicht zu einer langen Erklärung inklusive Beichte hinreißen.
»Warum nicht?« Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein. Der Mann sah sie von oben bis unten an und schüttelte dann den Kopf. »Es ist wirklich eine Schande, aber ich fürchte, du musst auch sterben. Du hast zu viel gesehen.«
Seine Hand mit der Pistole hob sich, bis sie direkt in das Mündungsloch des Schalldämpfers blicken konnte. Es schien immer größer zu werden, je länger sie hineinblickte. Mühsam versuchte sie, sich zusammenzureißen und ihre erstarrten Muskeln dazu zu bringen, sich zu bewegen. Sie konnte hier nicht sterben, sie hatte das ganze Leben noch vor sich und sie war nicht bereit, darauf zu verzichten. Sie würde kämpfen, und wenn es das Letzte war, was sie tat. Bevor sie lange darüber nachdenken konnte, was sie tat, trat sie dem Mann mit aller Kraft in die Weichteile, wie sie es im Selbstverteidigungskurs gelernt hatte. Überrascht von ihrem Angriff stolperte der Mörder nach hinten gegen die Tür, ein Schuss löste sich.
Jocelyn wartete nicht darauf, festzustellen, ob sie getroffen war, sondern trat noch einmal zu, diesmal gegen das Knie. Mit einem Fluch stürzte der Mann zu Boden und schlug dabei mit dem Kopf gegen die Wand. Jocelyn versuchte, ihm die Waffe aus der Hand zu stoßen, doch eines seiner Beine schoss hervor und trat gegen ihre Knöchel, sodass sie das Gleichgewicht verlor. Sie stöhnte auf, als ihre Hüfte und ihr Ellbogen hart auf den Boden prallten. Ihr Gesicht landete auf dem leblosen Körper der Anwältin. Entsetzt krabbelte Jocelyn rückwärts, bis sie an die Wand stieß. Ein weiteres Ploppen ertönte und etwas schlug dicht neben ihrem Kopf ein, Schmerz schoss durch ihre Wange. Verspätet duckte Jocelyn sich, auch wenn sie wusste, dass ihr das nichts bringen würde.
Ihr Atem kam stoßweise, jeder Muskel in ihrem Körper schmerzte vor Anspannung.
»Jetzt habe ich dich, du Miststück.« Die Stimme des Mannes klang gepresst, eine Hand lag auf dem Reißverschluss seiner Jeans, als könnte er so die Schmerzen mildern.
Der dezente Klingelton kündigte die Ankunft im Erdgeschoss an. Die Augen des Mörders verengten sich, sein Zeigefinger krümmte sich wie in Zeitlupe um den Abzug. Nicht bereit, so kurz vor der Rettung noch zu sterben, warf Jocelyn sich zur Seite, während sie gleichzeitig ihre Füße in den Oberkörper des Mannes rammte. Er schrie auf und versuchte, ihre Beine zu packen. Mit letzter Kraft robbte sie sich durch die sich öffnenden Fahrstuhltüren vorwärts und landete auf dem kühlen Steinboden des Foyers. Entsetzte Schreie ertönten, als sie blutverschmiert vor die Füße der Leute rollte, die auf den Fahrstuhl warteten. Jocelyn hob den Kopf und sah zu dem Mörder zurück, der die Pistole verloren hatte. Einige Beherzte rangen ihn nieder. Erst als sie erkannte, dass sie in Sicherheit war, schloss sie die Augen und sank in die wartende Dunkelheit.
1
Drei Monate später
»Wiederhol das!« Detective Jay Hunter presste das Handy dichter an sein Ohr.
Ein tiefer Seufzer drang durch die Leitung. »Aber ich muss dir jetzt nicht alles zweimal sagen, oder? Leone erwartet heute eine Lieferung. Alfredo’s , 12 Uhr mittags. Der ganze Clan ist in Aufruhr deswegen.« Sein Informant senkte die Stimme. »Irgendwas ist hier los, sei vorsichtig.« Damit legte er auf.
Jay schlug mit der Faust auf den Tisch und sprang auf, gerade als sein Partner zur Tür hereinkam.
Neugierig blickte Dave Mahoney ihn an. »Was ist denn mit dir los? Hast du im Lotto gewonnen?«
Grinsend schlug Jay ihm auf die Schulter. »Besser. Wir
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